Jenseits des großen Teiches

Brigitte Prem

Brigitte Prem:

Juli: 45 Jahre – jenseits des Großen Teiches


Das ist meine Juli-Geschichte, denn es war im Juli vor 45 Jahren, als wir uns unter dem Sternbild des Großen Bären ewige Treue schworen. Der große Bär sollte unser Zeuge sein. Wir waren jung und voller Ideale und voller Hoffnung, und ein Leben voller Versprechungen lag vor uns.


Auf meine Freundin wartete jenseits des großen Teiches ein Geliebter, und sie war verliebt, so verliebt, wie ich gerne sein wollte, aber ich wartete noch.


Es war keine Wehmut in der Abschiedsbegegnung, denn wir wussten nicht, dass die Welt groß war. Wir dachten, sie wäre klein, und wir würden uns wiedersehen.


Die Jahre kamen und gingen, und das Leben war intensiv. Nie verließ uns das Gefühl ewiger Freundschaft, aber jede lebte ihr Leben. Weihnachtskarten. Weihnachtsgeschenke, von Kindern gebastelt.

Probleme, die kamen und gelöst wurden oder nicht gelöst wurden. Das erste Kind meiner Freundin wurde geboren und bekam meinen Namen.


Aber keine Begegnung. Eine solche wurde aber auch nicht ersehnt. Wir wünschten uns wohl, wir grüßten uns über den großen Bären, das war genug.


45 Jahre. Neue Technologien, neue Möglichkeiten. Skypen. Wir erkannten uns sofort. Es war, als wäre es gestern gewesen. 45 Jahre wie ausgelöscht. Alle Symbole wurden hervor geholt, mit denen wir unsere Freundschaft in unsere Familien zu integrieren versuchten. Der große Bär wurde besprochen. Und so trafen wir uns nach 45 Jahren im Juli wieder.


Große Erwartungen. Wolken. Klein, weit unter den Wolken die Welt. Das Flugzeug kam in San Francisko an. San Francisco Bay Area. The City of San Francisko. Golden Gate Bridge. Alcatraz.


Klarer Sternenhimmel. Der große Bär. El Dorado Hills. Familie. Eine Spielzeugeisenbahn, seit Generationen in der Familie, läuft unter der Dachdecke die Wand entlang.


Im Wohnwagen in die Wüste.


Bäume, die in den Himmel reichen. Schwimmen im Pazifik. Abende unter dem Großen Bären, Braten von Marshmellows. Die Farnschlucht voller Magie. Farne fallen wie ein grüner Wasserfall die Schlucht hinunter. Kleine glitzernde Sterne wie Edelsteine und Perlen, die sich als Wassertropfen herausstellen.

Elche, die majästetisch an der pazifischen Küste grasen und ihre Jungen verteidigen.


Familie. Die Eichenschlucht.


Und der 4. Juli. Kinder. Feuerwerk. Die zwei Familien saßen unter dem großen Bären, unter Venus und Jupiter, den großen Göttern der Antike, unter den Bäumen, die in den Himmel wuchsen, viele hundert Jahre alt. Obwohl so nah beisammen nun, war zwischen ihnen doch der große Teich, der sie immer trennen würde.


Ewige Freundschaft, ewiges Leben. Hände, die sich berühren. Gebratene Marshmellows. Schwur ewiger Treue unter dem großen Bären. Ein Juli, der nie vergehen sollte.


Kinder und Enkelkinder. 45 Jahre.


Neben uns Erdkätzchen, fremdartige Vögel, Bananenschnecken, und im Wald Bären, deren Rechte beachtet werden mussten.


In Gedanken die so andere Welt nun jenseits des großen Teiches, teilweise unverstanden, großes Bemühen um Verständnis. Schweigen. Aus den riesigen Farnen traten die Saligen der Alten Welt, die ihren Weg hierher gefunden hatten, und die Feengestalten der Alten neuen Welt, die drei Schwestern und die drei Brüder, Big Foot. Magie der Seele. Als das Schweigen verstummt, treten auch sie wieder zurück, hinterlassen aber einen Schleier von Wohlbefinden und Glück.


Der 4. Juli. Feuerwerk. Kinder. Der große Bär. Ein kleines Mädchen, das aufgeregt hin und her läuft, Sessel verteilt, Feuerwerkskörper anzündet.


Westley, der Hund aus dem Westen, der in der westlichen Straße gefunden worden war, der mit dem Gesicht und dem Körper des deutschen Schäferhundes und den Ohren und dem Schwanz eines Huskeys. Auch er gehörte zur Familie, die wir wieder verlassen mussten. Kann eine stundenlang in eine Menschenhand gelegte Hundepfote in die Ewigkeit mitgenommen werden?


Und dann ein Schrei: "Ich setzte mich auf den Kuchen!" Großes Gelächter. Der ausgezeichnete Kuchen aus geschlagenem Rahm und Schokolade! Nochmals großes Gelächter mitten im knisternden Feuerwerk.


Wir sind alt. Noch einmal können wir nicht 45 Jahre warten. Wir trennten uns noch im Juli, nach 45 Jahren trennten wir uns wieder.



Erschienen bei http://www.smartstorys.at/