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Rupert und Herbert


Der Dummling urteilte falsch: Rupert und Herbert gingen nicht zusammen, sie trennten sich. Und so geschah es: Sie bewegten sich in Richtung Stadt und fragten sich, was sie mit der unerwarteten Freiheit anfangen sollten.

"Wir wollen in eine Disko gehen", sagte Rupert.

Das war nun die Gelegenheit, ein solches zu erfahren. Im Hause ihres Vaters war dieses verpönt. "Es ist die Hölle", hieß es.

Als sie ankamen, merkten sie, dass sie nicht passend angezogen waren. Also gingen sie zurück ins Zentrum und kauften sich entsprechend Jeans und T-Shirts. In der Disko leuchteten ihnen dann die bunten Lichter entgegen, die die Augen blendeten. So laute Musik wurde gespielt, dass ein Gespräch unmöglich wurde, was wohl auch nicht zu dieser Art von Unterhaltung gehörte. Trotzdem zogen einige junge Leute Herbert in ihren Kreis. Herbert hatte etwas an sich, das die Leute amüsierte. Rupert wurde um Herberts willen geduldet.

Am nächsten Tag gingen sie zu einem Prater, über den sie durch Plakate erfahren hatten. Es war recht lustig. Da war ein Riesenrad, das sie hoch über die Stadt hinaus hob. Die Geisterbahn war gruselig genug, und sie punkteten im Pfeilschießen. Da geschah es  wieder, dass junge Mädchen Herbert anredeten. Anschließend sagte Rupert zu Herbert:

"Du trägst ja den Ring, der beliebt macht".

Herbert sah verlegen zur Seite.

"Aber nein!" rief Rupert. "Der Ring der Saligen hat einen doppelten Goldrand über dem Halbedelstein; der, den du trägst, hat nur einen einfachen".

"Der Goldschmied konnte es nicht besser", antwortete Herbert.

"Du hast deinen Ring nachmachen lassen?" fragte Rupert erstaunt.

"Na und", sagte Herbert.

Rupert räusperte sich, sagte aber zunächst nichts. Nach einer Weile bohrte er nach: "Glaubst du, dieser Ring wird dir helfen?"

"Und du?" brauste Herbert auf. "Wie und wozu willst du Erfolg haben? Welches Ziel hast du denn?"


In einem Bierhaus geriet Rupert in eine Wirtshausrauferei. Es eskalierte so, dass die Polizei kam und Rupert eine Nacht in Polizei-Gewahrsam verbringen musste.

"So sollte das nicht weiter gehen", sagte Herbert. "Der Dummling hat Recht: Wir sollten zunächst einmal die drei Geschenke der Saligen suchen."

"Das ist doch Unsinn!" konterte Rupert.

"Trennen wir uns!" schlug Herbert vor. "Lass uns getrennt unsere Wege gehen:"

Er zog etwas Winziges aus seiner Tasche: "Ich habe von meiner Saligen-Patin noch ein Geschenk bekommen", sagte Herbert.

"Du hast was?"

"Ich habe sie besucht. Du hast dich ja in den Zauberwald nicht hinein getraut."

Es waren zwei winzige Rotholzbäume. Diese wachsen nur in Kalifornien, und wenn sie 500 Jahre alt sind, berühren ihre Spitzen die Wolken.

Herbert setzte sie an einer geschützten Stelle ein.

"Wir treffen uns in einem Jahr hier wieder", sagte er. "Solange beide Bäumchen grün sind, geht es uns gut. Wenn der linke verwelkt, bin ich in Gefahr, wenn der rechte verwelkt, bist du in Gefahr. Wenn einer stirbt, ist auch einer von uns tot."

So trennten sie sich.


Un nun schauen wir, wie es Herbert weiter ergeht.



Herbert


Als Herbert sich von Rupert getrennt hatte, ging er für das Erste in eine Bibliothek. Er dachte, das würde vielleicht ein Ausgleich sein zu einer Party nach der anderen, und er würde zur Ruhe kommen.


Es war eine nette winzige Bibliothek. Sie befand sich in einem liebenswürdigen, kleinen Schloss mit einer großen Parkanlage. Es war eigentlich keine künstliche Parkanlage, sondern nur eine riesige, naturbelassene Wiese, die nur drei Mal im Jahr gemäht wurde, und mit vielen Bäumen – Fichten, Lerchen, Erlen, Eschen, und an einem Bächlein Weiden. Nur am südlichen Rand gab es Rosen – alle Farben und alle Düfte. Der ursprüngliche Besitzer des Schlösschens hatte bei Rosen-Ausstellungen Preise gewonnen. Die Gemeinde, der der Erbe des Schlösschens die Bücherei zur Verfügung gestellt hatte, hatte das Rosenbeet beibehalten. Der Gärtner des Ortes, der auch die anderen Erholungsstätten betreute, bemühte sich mit rührender Liebe um die Blumen.


Herbert hatte das alles von der Dame im Fremdenverkehrsbüro erfahren, die er um eine Bibliothek gefragt hatte. Jetzt stand er vor einem großen, schmiedeeisenen Tor, und er fragte sich, ob es offen war. Er drückte die Klinke herunter und erwartete Widerstand, aber sie ließ sich ganz leicht öffnen. Er ging hinein, an den Rosen vorbei, deren bunten Duft er vage wahrnahm, einen langen Aufgang hinauf.


Die Benutzung der Bibliothek war frei. Es gab auch Internet-Anschluss und viele Anregungen. Er ging durch die Räume. Er überlegte sich, was ihn interessieren könnte. Botanik, Vogelkunde, Tiere in Afrika – er hatte eine gute Ausbildung bei Privatlehrern genossen, und es interessierte ihn alles, aber er wollte sich nicht im Detail verlieren. Er blieb dann bei einer Ausstellung über lokale Geschichte hängen.


Die Botanik interessierte ihn sehr, vor allem, wie Pflanzen sich gegenseitig beeinflussten. Wie sich etwa der Bewuchs unter den Bäumen änderte, je nachdem wie dicht die Kronen waren. Und inwieweit eine neue Pflanze autochtone Pflanzen verdrängten. Aber direkt zum Thema gab es kein Angebot und sich selbst die Tatsachen herauszusuchen und etwa bei Wanderungen zu kontrollieren, dazu fehlte ihm die Geduld und die Energie.

Einzelne Vögel faszinierten ihn - die Art und Weise, wie Kräfte in dem winzigen Körper das Tier zu Leistungen veranlasste, die weit über die Möglichkeiten eines großen Computers hinaus gingen. Außerdem fühlte er sich dem einen oder anderen Lebewesen verbunden: Manche Vögel haben eine Verhaltensweise, die dem Menschen ähnlicher sind als die von Säugetieren, etwa die Einehe. Aber auch dem nachzugehen fehlte ihm der Antrieb.

Der Situation im Ort nachzugehen würde ihn vielleicht zu den anderen Lebensgebieten führen. Und es würde nicht so aufwendig sein. Herbert erforschte also seine Welt.

Die Artefakte über das Tal hatte ein Schuster vor 1900 gesammelt. Nach seinem Tod kam die Sammlung an das Museum in der nächsten großen Stadt; dieses übergab sie dann der Bücherei, als es möglich war. Es waren liebevoll zusammen getragene Gegenstände des häuslichen Gebrauchs, ausgesonderte Werkzeuge der örtlichen Handwerker und Bauern, Textilien wie die uralte Blaudruck-Bettwäsche, die es heute gar nicht mehr gibt. Herbert fühlte sich allmählich in das Alltagsleben dieser Generation hinein.

In einem alten Buch fand er folgende Erzählung, die ihm die Situation des Tales gut zusammen zu fassen schien:


Ein Tal in den Alpen


Es gibt in den Alpen ein Tal mit all dem Charme, den ein solches Gebiet haben kann. Aber in der heutigen Zeit braucht es viel Feingefühl, um diesen nicht, wie es mit so vielem Schönen geschieht, verschwinden zu lassen.


Vor einigen Jahren wäre beinahe solcher Verlust geschehen. Darüber möchte ich später schreiben. Zuerst möge der geneigte Leser sich in die Schönheit dieses Tales einfühlen.


Das Tal ist durchbrochen von einem Fluss. Der beginnt hoch oben auf einer Alm mit einer Viehtränke. Es ist tatsächlich eine Viehtränke der Beginn dieses Gewässers. Der Fluss durchströmt das Tal, wird immer breiter und landet schließlich außerhalb des Tales in einem Strom.


Das Gebirge mutet hinter der Viehtränke noch heute urwäldlich an. Große Hänge sind bedeckt von einem Gemisch aus Fichten, Föhren, Lerchen, Buchen, auch viel Erlen-Gewächs. Dort lebte vor Zeiten ein wilder Mann. Er wurde von der Bevölkerung gejagt, da sie ihn ebenso zur Schau stellen wollten wie Eisenhans aus dem Grimmschen Märchen oder den Mann aus dem Wald in Hellbrunn.

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Einmal floh der wilde Mann des betreffenden Tales in die Herde eines Hütejungen, der seine Tiere, aus einer angeborenen Menschenscheu, eher auf abgelegene Weiden führte.


Als dieser die Menschen-Meute sah, zog er den wilden Mann unter eine Kuh, die sich an einen Findling drückte, setzte sich davor und melkte die Kuh.


Als sich der wilde Mann gerettet sah, gab er dem Hütejungen ein Stück Silber:

„Ich denke, damit kannst du dein Glück machen“, sagte er. „Deinesgleichen legen Wert auf derlei“.


Der Hütejunge ging hin und sicherte sich den Ertrag am Silber-Bergwerk am anderen Ende des Tales. Er legte das Vermögen in Land- und Forstwirtschaft an und Jahrhunderte lang war seine Familie die führende Kraft im Tal. Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren sie der größte Arbeitgeber.


Dann gab es eine Generation, die das Städtische liebte und dem Tal den Rücken kehrte. Einer von ihnen verspielte sogar einen Großteil seines Vermögens in Monte Carlo.


Heute ist die Landwirtschaft dieser Familie still gelegt. Aber die Wälder glänzen fast ungenutzt in Schönheit.


Das Familien-Grab in einem gepflegten Dorf-Friedhof zeugt von vergangener Herrschaft.


Wenn man von 1000 Meter Höhe des Anfangs zu 300 Meter Höhe des Endes des Tales wandert, findet man links und rechts reizvolle Seitentäler mit lieblichen Dörfern.


Maisfelder und Kuhweiden, sogar ein Wildgatter, säumen die gut ausgebaute Straße. In der Nähe des Städtchens staunen die Menschen über ein liebevoll gepflegtes Kürbisfeld. Die Kürbisse sind nur so groß wie ein Fußball, aber sehr schön anzusehen und schmackhaft.


Dann weitet sich das Tal. Ein größerer Ort versucht, den Anschluss an die neue Zeit zu finden. Es gibt ein Old-Timer Museum, in dem die Ausstellungsstücke immer ausgewechselt werden, ein Fitness-Zentrum mit Sauna und ein Bildungshaus mit gut besuchten Veranstaltungen. Als diese Pläne publik wurden, gab es Befürchtungen. Aber es wurden dazu alte, unbewirtschaftete Bauernhäuser aufgekauft und vorzüglich renoviert. Alles fügt sich wundervoll in die Landschaft. Und das Projekt gibt den Einheimischen Arbeitsplätze und die Möglichkeit zu bleiben.


Das Tal wird weiter und gibt einem Städtchen Raum. Dieses umgibt sich mit einem mittelalterlichen Flair mit seinem funktionierenden Stadtgraben, seiner mit bunten Blättern bewachsenen Stadtmauer, seinen Burgen aus dem 8. bis zum 14. Jahrhundert und einer Kirche noch aus der Zeit des heiligen Virgil.


Das Städtchen ist jedoch nicht nur mittelalterlich, es gilt als eines der familienfreundlichsten Orte des Landes. Es gibt ein Natur-Schwimmbecken, einen allen zugänglichen Künstler-Verein, eine Theater-Gruppe, eine Gesang-und Musik-Gruppe, ein Freiluftkino, die üblichen Angebote für Familien und ausreichende Kinder-Betreuung.


Vor Jahren wollte der lokale Gemeinde-Rat die Struktur eines der Dörfer zerstören. Die Baufirma, die das Dorfgrün, die herrlichen alten Linden und den Jahrhunderte alten Dorfbrunnen einebnen und Parkplätze schaffen sollte, war schon beauftragt. Da machte der bauernschlaue Dorfpfarrer, er liegt mittlerweile auf dem Dorf-Friedhof, ein Kinder-Fest unter den Linden und um den Brunnen. Die Kinder wurden als Dorfkinder ausgegeben, obwohl mehr als die Hälfte Erholungskinder aus dem nahe gelegenen 800 Jahre alten Schloss waren.


Der Pfarrer lud alle möglichen Medien der Umgebung ein und die Zeitungen schrieben, wie schade es um die Schönheit dieses Dorfes sei und wie arm die Kinder, die sich statt auf einem natürlichen Spielplatz auf einem Parkplatz tummeln müssten. Somit war das Projekt, Gott sei Dank, gelaufen.


Es mag wohl sein, dass manche Jungen von hier von der Hektik der heutigen Welt wenig mitbekommen und sich später mühevoll daran gewöhnen müssen. Doch ist es wirklich so, dass Hans nimmer lernt, was Hänschen nicht gelernt hat?


Die Notwendigkeit des Lebens ergreift uns und gut dran ist, wer ein bisschen von dessen Schönheit mit bekommen hat.


Und wenn die Zerstörung den Anfang genommen hat, ist das Ende nicht mehr fern.


Die meisten jungen Leute gehen nach der Ausbildung oder spätestens im Rentenalter in das Tal zurück.


„Im Tal leben und sterben“, ist ihr Spruch.



Herbert fragte sich, wie viel sich in den letzten Jahren geändert hatte, und nahm sich vor, in die nächste Stadt zu gehen und die wirtschaftliche Situation und die Lebensweise der Menschen zu erforschen. Zunächst aber verließ er die Bibliothek und spazierte durch den Ort. Der Ort war klein, nur etwa 300 Einwohner einschließlich einem Bau für sozial schwache Familien, deren erwachsene Bewohner mit dem Bus in die übernächste Stadt, die etwas Industrie hatte, zur Arbeit fuhren. Der Bus fuhr vom Dorfgrün mit den herrlichen alten Linden und dem Jahrhunderte alten Dorfbrunnen von dem er gelesen hatte, weg, aber sonst gab es da keine Autos. Er setzte sich auf eine der Bänke. Auf der gegenüber liegenden Bank saß ein alter Priester.


"Sie kommen wohl von weit her", sagte der.

Herbert, der sich eigentlich nicht bekannt geben wollte, dachte: "Was soll`s?" und nannte ihm Familie und Geburtsort.

"Tourist?" fragte der Pfarrer.

"Eigentlich nicht," sagte Herbert, zeigte ihm den nachgemachten Ring und erzählte von dem Auftrag, die drei Schätze und die Frau mit den goldenen Haaren zu finden.

"Vor mehr als 100 Jahren", erklärte der Pfarrer, "gingen junge Männer auf ein Jahr auf die große Reise, bevor sie mit dem ersthaften Leben begannen. Ich frage mich manchmal, ob sie sich heute, da das Reisen so leicht ist, nicht, umgekehrt, auf ein Jahr zurück ziehen und in der Stille leben sollten, bevor sie sich den Anforderungen des Lebens stellen."

"Wie soll das gehen?" fragte der junge Mann.

"Es muss ja nicht gleich ein Jahr sein", antwortete lächelnd der Pfarrer. "Aber ich weiß von einer Hütte ganz oben auf dem Berg dort. Sie können den Schlüssel haben, wenn Sie wollen."

"Und wovon lebe ich?"

"In der Nähe wirtschaftet jetzt, im Sommer, eine Sennerin. Die wird Ihnen Nahrungsmittel bringen."

Herbert schaute skeptisch, aber er dachte, er könnte es sich ja einmal anschauen.


Als er den Schlüssel hatte, zog er los. Nachdem er die von einzelnen Bauernhöfen bewohnten Gegenden verlassen hatte, kam er durch einen dichten Wald. Der Wind säuselte in den Bäumen, und es klang wie die klagende Flöte eines Berg-Gnoms und streichelte angenehm seine Wangen.


Als er die Hütte öffnete, stand ihm der Dummling gegenüber.

"Wie kommst du hierher?" fragte er.

Der Dummling verstand ihn einseitig. "Die Sennerin dort drüben", er zeigte auf einen entfernten Hügel, "hat mir den Schlüssel gegeben."

"Was tust du hier?"

"Ich suche Rübezahl.

"Wer ist Rübezahl?"


Der Dummling hatte sich über Rübezahl schlau gemacht. Nun machte er seiner Enttäuschung, dass er Rübezahl noch immer nicht gefunden hatte, in einer langen Rede Luft:


"Rübezahl: Dieser Fürst der Gnomen besitzt zwar auf der Oberfläche der Erde nur ein kleines Gebiet, von wenigen Meilen im Umfang, mit einer Kette von Bergen umschlossen. Aber unter der urbaren Erdrinde hebt seine Alleinherrschaft an

Rübezahl ist ein großer, kräftiger Mann mit feuerrotem Haar und feuerotem wirren langen Bart; der Bart und auch die Haare sind gelockt. Die Haare und der Bart wehen manchmal auch im Wind und vermischen sich mit den Wolken und dem Staub, sodass die Welt undurchdringlich wird. Er hat eine laute dröhnende Stimme, die böse Menschen ermahnt, harmlose erschreckt, aber auch Außerweltliche dorthin ruft, wo er sie haben will.


Rübezahlist boshaft, wenn er sich ärgert oder wenn ihm danach ist, aber er istnicht böse. Trotzdem richtet er zuweilen Unheil an, auch schreckliches, denn er ist gedankenlos. Er hat viel Mitgefühl, aber die Probleme müssen ihm gesagt werden. Wie ein Mensch nicht weiß, was einer Ameise not tut, auch wenn er guten Willens ist, diese leben zu lassen, so kann Rübezahl sich nicht einfühlen, dass der Mensch zum Überleben Luft, Wasser, Nahrung und was noch alles braucht. Er treibt bisweilen auf der Erdeda sein Spiel und Spott mit den Menschenkindern wie ein froher Übermütiger, der, um einmal zu lachen, seinen Nachbarn zu Tode kitzelt.


Er schleicht am liebsten durch den Wald; so stellt ihn der Maler Spitzweg auf einem Bild dar.


Rübezahl, der Herr der Berge, lebt eigentlich im Riesengebirge, aber man hat ihn auch schon in Tirol gesehen. Er hilft armen braven Leuten, wenn sie ihn darum bitten. Seine besondere Lieblingsstelle ist die Schneekoppe in Schlesien.

Der Berggeist aus dem Riesengebirge bestraft böse Kinder, Geizhälse und Diebe. Die braven Leute werden belohnt. Rübezahl lebt in der Gebirgslandschaft, wie sie in Schlesien ist, und er liebt Gebirgstrachten wie in Schlesien oder Tirol.


Er lässt sich von Leuten, die ihn um Hilfe bitten, einladen, um ihre Mildtätigkeit zu prüfen."


Was werden Herbert und der Dummling nun weiter tun?


Herbert und der Dummling.

Herbert und der Dummling.


"Was machen wir?" fragte Herbert.

"Wir könnten zusammen bleiben", schlug der Dummling vor.

"Halt! Halt! So leicht geht das nicht", reagierte Herbert. Er konnte sich schon vorstellen, dass er sich mit dem Dummling besser vertragen würde als mit Rupert. Aber der Dummling würde sich an ihn anhängen. Es würde keine gleichwertige Partnerschaft sein. Zumindest fürchtete er das.

"Was willst du tun?" erkundigte sich Herbert.

"Ich muss Rübezahl finden", antwortete der Dummling und erzählte von dem Diademhäher und der Hausfrau.

"Das Rezept kannst du im Internet finden", erklärte Herbert. "Rübezahls Sauerteig ist allgemein bekannt. Das ist längst im Internet. Du kannst im Internet nachschauen und dieser Hausfrau das Rezept geben. - Und der Diademhäher? Was machen wir mit dem Diademhäher?" Herbert dachte nach.

"Rupert will nach jenseits des Großen Teiches. Er könnte den Diademhäher mitnehmen:"

Der Dummling schüttelte den Kopf. Er erinnerte sich all der Quälereien, die er durch Rupert erlitten hatte. Seinem großen Bruder wollte er das zarte Vögelchen nicht anvertrauen.

"Ich kenne einen Kapitän", sagte Herbert, "der ständig zwischen dem Pazifik und dem Atlantik hin und her pendelt. Er könnte den Diademhäher mitnehmen."

"Und wo landet er dort? Womöglich in einer Gegend, die ihm völlig unvertraut ist. Hier hat er sich immerhin mit den Raben angefreundet."

"Wir müssen im Internet nachschauen, inwieweit die Diademhäher in einem Schwarm leben. Vielleicht sind sie ohnehin eher Einzelgänger, und dann geht es ihm nur um die vertraute Umgebung, die ihm vertrauten Bäume, das heiße Klima, Tierarten, mit denen er aufgewachsen ist...".

"Wir haben hier kein Internet...".

"Komm, gehen wir zum Bauern Beinhart. Der liegt auf dem halben Weg wie das Dorf, von dem ich aufgebrochen bin. Der hat sicher Internet. Wenn nicht, müssen wir eben ins Dorf gehen."

"Denkst du, der lässt uns bei sich übernachten. Hin und zurück schaffe ich den Weg nicht. Da kämen wir ja weit in die Nacht."

"Wenn wir uns auf den Pfarrer und die Sennerin berufen, geht das sicher. Ich weiß, er hat einen Schuppen. In dem können wir ja bleiben."

"Oder im Freien. Die Nacht ist sternenklar, es wird nicht regnen. Nehmen wir ein paar Decken mit!"

Sie marschierten los, vorsichtig ein Schritt nach dem anderen, wie das beim Bergwandern notwendig ist, damit man einen festen Stand hat und nicht abrutscht. Zwischendurch dachte der Dummling nach, ob er das wirklich wollte, seinen Plan, Rübezahl zu finden, aufzugeben. Und Herbert hatte nach wie vor Sorge, ob er sich mit dem Dummling nicht ein Kind aufhalste, das er versorgen musste. Aber beide genossen die Wanderung und versicherten sich gegenseitig, wie immer sie sich entscheiden würden, es wäre nicht falsch, sich gemeinsam zu bewegen und die Lebensweise des Diademhähers ausfindig zu machen. Außerdem freuten sie sich auf den Kontakt mit einem Einheimischen. Es entsprach Herberts Ziel, die Umgebung zu erforschen, und der Dummling ließ sich für das Erste gerne ein Weilchen von seinem Bestreben, Rübezahl zu finden ablenken.


Herbert erzählte dem Dummling nichts von seinen Erlebnissen. Für das Erste wollte er überhaupt nicht davon sprechen und zweitens wollte er sich seinem Bruder nicht mitteilen.

Nach einer langen Wanderung zuerst in die Höhe, weil das der kürzere Weg war, dann vorbei an Geröll, an Zwergformen von Fichten, Lärchen und Zirben bis zu vereinzelten Bäumen, stark und kräftig, allein, ohne den Schutz des Waldes Wind und Wetter trotzend, an der Nordseite von Moos bewachsen – Richtlinie für Wanderer. Dann einen Fichten-, Tannen-, Buchen- Mischwald, bis sie gerodetes Gebiet betraten. Sorgfältig suchten sie sich den Weg zwischen Feldern und Wiesen, um den Bewuchs nicht zu stören, und wanderten auf den Bauernhof zu. Vor der Haustüre stand Jörg, der Sohn des Bauern.


"Grüß Gott", sagte der mit hoch gezogener Augenbraue, die "Was wollt ihr?" ausdrücken sollte.

"Hast du Internet?" fragte Herbert. Am Gesichtsausdruck des Jungen erkannte er, dass dem so war.

"Du musst uns auch nicht umsonst nachschauen lassen", sagte der Dummling und hielt einen Geldschein vor sich her. Herbert drehte sich überrascht um und sah den Dummling an. Er hatte ihm die Eigen-Initiative nicht zugetraut.

"Kommt mit!"

Der Junge führte sie ins Wohnzimmer, das modern eingerichtet, aber noch mit einem schönen, bemalten Bauernschrank und einer dazu passenden Truhe bestückt war. Auf einem Seitentisch mit einer Blaudruck-Tischdecke stand der Computer.

"Ihr habt noch Blaudruckwäsche?" fragte Herbert erstaunt, der in der Bücherei über die alte Technik des Blaudruckes gelesen und Bilder gesehen hatte.

"Nein, dort drüben über den Berg im nächsten Tal gibt es eine Frau, die diese Technik wieder aufgegriffen und eine richtige kleine Fabrik mit drei Angestellten errichtet hat. Sie verkauft in ganz Europa."

"Ach ja?" Wohl nur an Touristen, dachte Herbert, oder an Einheimische, die sich noch an die Blaudruck-Bettwäsche ihrer Urgroßmutter erinnerten.


Herbert sah sich weiter um. "Was ist das?" fragte er. An der Wand hing eine wunderbare Glasmalerei.

"Ach, das ist nur das Steckenpferd von meiner Tante", antwortete Georg.

"Aber das ist ja ein Diademhäher", rief Herbert.

"Nein, er ist kein Diademhäher, er hat kein Diadem", sagte der Dummling.

"Es ist eine Schwanzmeise", erklärte Jörg.


Jörg holte einen dritten Sessel, und sie setzten sich ans Internet. Herbert öffnete "Diademhäher" und klickte einmal Wikipedia an.

"Was willst du nachschauen?" fragte Jörg.

"Die Lebensweise des Diademhähers."

"Hm? - Den gibt es bei uns nicht."

Keiner der beiden antwortete.


"Der Diademhäher lebt in monogamer Ehe", rief der Dummling.

Herbert wurde es ein bisschen schummrig: Wie idealerweise die Menschen!

"Fallweise in Familien", fuhr der Dummling fort.

"Wir müssen noch etwas anderes als Wikipedia anschauen. Hier ist ein Naturforum."

"Da steht aber auch, dass er in Schwärmen von zehn Personen lebt."

"Was frisst er denn?"

"Alles."

"Aha."

"Na ja, wir müssen darüber sprechen, was wir tun werden."


"War das alles?" fragte Jörg.

"Ja", sagte Herbert.

"Nein, wir müssen noch Rübezahls Sauerteig nachschauen." Als er das Rezept sah, war Herbert enttäuscht – Germteig aus Dinkel, Weizen und Karotten, das klang ja gut, aber es war alles sehr normal. Rübezahl hatte doch sicher etwas Besonderes dabei?

"Gehen wir? - Oder willst du bleiben?"

"Nein. Gehen wir."


Sie wanderten los, durch Felder und Wiesen, durch den dichten Wald. Auf den Wiesen sahen sie die typischen gefleckten Kühe. Sie wichen ihnen aus, denn sie hatten gehört, dass sie bei aller Gutmütigkeit auch aggressiv sein konnten. Als sie den Wald betreten hatten, hörten sie ein Geräusch.

"Irgendein Tier", sagte Herbert.


Da leuchtete ihnen aus dem Grün das Gesicht eines Bären entgegen. Herbert drehte sich um, als ob er fliehen wollte, dann straffte er die Schultern und machte sich groß. Keiner von ihnen hatte einen Bären erwartet, denn Bären waren in der Gegend äußerst selten.

"Still", sagte der Dummling. "Er steht gegen den Wind. Er wird uns nicht bemerken."

Der Bär richtete sich in der ganzen Größe auf die Hintertatzen auf, denn irgendetwas hatte er doch bemerkt, dann drehte er sich um und trabte davon.

Bären sind an sich gutmütige Tiere. Sie sind nur groß und schwer und brauchen Nahrung. Wenn sie sich nicht bedroht fühlen und satt sind, tun sie nichts Gefährliches.

Es war inzwischen dunkel geworden, und sie trabten an Felsbrocken vorbei, vorbei an den kleinen verkrüppelten Bäumchen – klein wegen der Kälte und dem Wind hier oben, klein wegen des Wildverbisses.

"Das war ein wunderbares Erlebnis, das mit dem Bären", sagte Herbert.

"Ja", antwortete der Dummling.

Dann wanderten sie den Weg wieder hinunter, bis sie zur Almhütte kamen.

"Weißt du was!, sagte der Dummling. "Ich bleibe noch ein paar Tage hier, dann gehe ich, wie geplant, Rübezahl suchen."

Herbert schaute enttäuscht. Er hatte sich an den Dummling gewöhnt, und der Dummling hatte einige Male hilfreich die Initiative ergriffen. Er hätte sich gewünscht, mit ihm zusammen zu sein.

Der Dummling fuhr fort: "Rübezahl muss den Diademhäher dorthin zurück bringen, wo er ihn her geholt hat. Auch das Rezept ist unvollständig. Und ich will Rübezahl treffen."

"Na gut", sagte Herbert.



Der Dummling verlässt Herbert


Der Dummling blieb noch einige Tage bei Herbert.Herbert wollte, wie mit dem Priester ausgemacht, einige Zeit in der Hütte bleiben, um über die Möglichkeiten des Lebens nachzudenken. Möglicherweise würde er auch ein, zwei Mal zu dem Priester gehen, um mit ihm über seine Gedanken zu sprechen. Er sah den Priester nicht als Beamten einer mächtigen Organisation, mit der er nichts zu tun hatte, sondern als den weisen Mann, als den er ihn erlebt hatte. Der Dummling wollte, wie er sich vorgenommen hatte, Rübezahl suchen.

Es wurden schöne Tage. Sie ließen alle Probleme beiseite, hatten nur aneinander und an der schönen Landschaft Freude. Es begann schon zu herbsteln. Die Blätter der Bäume färbten sich ganz allmählich und fast unbemerkt bunt, und vereinzelt riss der Wind sie vom Baum. Die Sonne schien mild, fast streichelnd. Sie durchwanderten die Gegend, immer ein bisschen des Bären eingedenk. Da sie von den umliegenden Bauern keine Klagen gehört hatten, würde dieser wohl von Wild leben: Hasen, Rehen, Mäusen, und nicht von Schafen oder Rindern. Sie hatten auch Wildbienen entdeckt, und natürlich würde der Bär sich auch von Himbeeren, Brombeeren, Preiselbeeren und Heidelbeeren ernähren - ein richtiger Futterkonkurrent zum Menschen! Hoffentlich würden diese ihn leben lassen.

Nach drei Tagen begann es zu stürmen, und der Dummling sagte: " Morgen gehe ich, sonst wird es mir zu spät." Sie sprachen noch dieses und jenes, über den Besitz des Vaters, über ihre Gefühle und Wünsche, alles sehr vage und unbestimmt, auch über ihr Verhältnis zu Rupert. Über die zwei Bäumchen, die irgendwann in den Himmel wachsen würden, sprach Herbert nicht. Überhaupt sprachen sie nicht über ihre saligen Patinnen. Davor scheuten sie sich beide, vielleicht, weil sie ihnen unheimlich waren, vielleicht, weil sie sie nicht als wichtig empfanden. Dann wünschten sie sich eine gute Nacht. Als Herbert sich in die duftende Bauernbettwäsche gelegt hatte, drehte er sein Gesicht in den Polster und weinte bitterlich.

Der Dummling verließ also Herbert

Nun war Herbert allein. Es war ein düsterer Herbsttag, und Herbert fragte sich, ob der Dummling Rübezahl noch vor dem Winter finden würde. Sie hatten noch zusammen gefrühstückt und Herbert hatte dem Dummling lange nachgeschaut. Er hatte ihn von der Verzweiflung, die er aus der Nacht in den Morgen mitgenommen hatte, nichts merken lassen. Der Dummling sollte unbelastet von familiärer Verantwortung seinen Weg gehen.

 

Nun. da der Dummling weg war, versuchte er, seiner Gefühle Herr zu werden. Das konnte nur, das fühlte er, mit sinnvoller Tätigkeit geschehen. Aber was war eine sinnvolle Tätigkeit? Der Kühlschrank war voll. Es gab einen Kühlschrank, elektrisches Licht, heißes Wasser, denn zu der Hütte gehörte ein kleines Wasserkraftwerk.

 

Herbert erforschte zunächst einmal die Hütte. Er ging vom Keller durch die Räume bis zum Dachboden. Der Keller war ein Erdkeller. Es war sogar noch Sand da, in dem man vor der Erfindung des Kühlschrankes Karotten gelagert hatte. Auch die Stellagen, auf denen man etwa Äpfel einer bestimmten Sorte überwintern konnte, waren noch intakt. Ein anderes Jahrhundert schien in dieser Einrichtung durch. In den Keller kam man durch eine Falltüre. Abenteuerliche Vorstellungen ergriffen ihn: Wenn er über die Falltüre einen großen Teppich legte, konnte man diese gar nicht sehen, und man konnte sich im Keller verstecken. Wenn man durch die Haustüre ging, kam man in einen schmalen Gang. Links war eine Wohnküche, fast eine Prangküche, rechts ein Wohnzimmer. Wenn man dann den Gang entlang ging, gab es links und rechts fertig eingerichtete Schlafzimmer. Das Klo war allerdings im Freien - man musste sich mit einem Zimmerklo behelfen.

Herbert stellte sich das Leben in dieser Hütte vor 150 Jahren vor. Im Sommer war dieses Haus allerdings Jahr für Jahr bewohnt worden, denn die Almwirtschaft war hier noch in Betrieb.

Herbert fühlte sich allein. Die Hütte war vor 150 Jahren sicherlich ganzjährig bewohnt. Denn Elektrizität gab es nicht, und somit bestand auch keine Notwendigkeit, im Dorf zu siedeln, um sich ans örtliche Stromnetz anzuschließen. Im Winter war man eingeschneit, denn bis heute gibt es keine schneefreien Straßen zur Hütte. Man bewegte sich mit Schiern fort; auch jetzt können die Leute in der Umgebung gut Schi fahren.
Die Gedanken über die Geschichte der Hütte hatten Herbert abgelenkt. Doch nun kam ihm sein Alleinsein wieder heftig ins Gedächtnis. Da hörte er eine männliche Stimme, die ihm einen Jodler zuwarf. Es war Jörg. "Willst du mir helfen, Preiselbeeren zu brocken?" rief er, als er nahe genug war.
"Ja, warum nicht?" antwortete Herbert. Er würde Gesellschaft haben - das Alleinsein drückte ihn, obwohl das wohl der Sinn seines Aufenthaltes in der Hütte war, oder etwa nicht? Und die Arbeit des Beerensuchens und Pflückens würde die sinnvolle Tätigkeit sein, die er sich gewünscht hatte. Jedenfalls für heute.
"Dir sage ich den Platz," sagte Jörg. "Du gehst wieder weg und stiehlst mir nicht die Beeren." Herbert schaute groß. So hatte er die Sache nicht gesehen. Er hatte gedacht, er solle Herbert helfen, für seine Mutter den Beerentopf voll zu kriegen. "Dann brauch ich ja auch einen Topf", sagte er.
"Im Küchenkasten müsste ein zudeckelbarer Eimer sein", erklärte Jörg. "Und du hast doch einen Rucksack. Der Eimer trägt sich leichter auf dem Rücken. Und zieh deine Jacke aus. Das Hemd genügt. Es ist warm heute. Und komm dann zu Muttern mit. Die zeigt dir, wie man Preiselbeeren einkocht."
Herbert war erstaunt. Wie kam Jörg dazu, ihn so zu bemuttern? Hatte der Priester damit zu tun?


Herbert und der König

Herbert hatte einen vergnüglichen Tag mit Jörg und seiner Mutter verbracht. Sie hatten Preiselbeer-Marmelade eingekocht, und Herbert hatte sich zehn kleine Gläser mitgenommen.

"Kleine Gläser sind leichter zu handhaben", hatte jörgs Mutter gesagt. "Such dir kleine Gläser aus!"


Nun war Herbert wieder in der Berghütte. Er hatte im Schuppen Holz gefunden und hatte eingeheizt. Es war abends schon zu kalt, um gemütlich zu sein. Er dachte an den Dummling und dass sein Geschenk der saligen Frau bedeutete, er würde jede Aufgabe seines Lebens zu einem Ende bringen. Hoffentlich fand er Rübezahl, und das Feen-Geschenk bedeutete nicht, er würde bis zum Ende seines Lebens suchen müssen.

 

Herbert dachte über verschiedene Ereignisse seines Lebens nach, und da fiel ihm die Exkursion mit seinem Vater zu den Mietshäusern ein. Auf einmal interessierte ihn, was daraus geworden war. Er hatte sich zwar vorgenommen, mit seinem Vater keinen Kontakt zu halten, so lange er nicht den Ring der saligen Frau, der beliebt machte, und vielleicht die Frau mit den goldenen Haaren gefunden hatte, und hatte das auch so mit Rupert abbesprochen. Es war ein halbherziges Gespräch mit Rupert gewesen, so wie die ganze Suche halbherzig war. Aber die Stille in der Hütte und in dieser Landschaft wirbelte Gedanken über seine Kindheit hoch. Obwohl es nie ausgesprochen worden war, fing er doch an, darüber nachzudenken, dass sein Leben einen Teil des Wirtschaftsimperiums ausmachen könnte, dass er vielleicht nicht nur von dem Gewinn finanziell versorgt sein wollte. Was sollte er dann auch mit seinem Leben anfangen?

Er griff zum Telefon. Es war Abend. Es war die private Nummer seines Vaters. Er hoffte, er würde ihn antreffen. Er fragte sich, ob der Vater seine Nummer gespeichert hatte und gleich erkennen würde, dass er anrief. Wohl nicht. Er hatte in der letzten Zeit sein mobiles Telefon vier Mal gewechselt und sich nicht immer darum gesorgt, die Nummer mitzunehmen.

Er erkannte die Stimme seines Vaters sofort.

"Vater", sagte er. "Ich bin es, Herbert."

"Ja?" Sein Vater klang kurz angebunden und müde. Er fragte nicht nach, wie es ihm ergangen war, was er getan hatte, wo er war. Er fragte auch nicht nach den Schätzen. Vielleicht hatte er von der Wirtshausrauferei von Rupert gehört und nahm an, er, Herbert, habe Anteil daran. Vielleicht war er auch einfach nur müde. Herbert entschloss sich, jedes verbindliche Gespräch beiseite zu lassen und gleich zur Sache zu kommen.

"Erinnerst du dich noch, als du mich zu den Mietblocks mitgenommen hast? - Du weißt schon, die die Gemeinde renoviert oder abgerissen haben wollte? Und wo die Mieter rebelliert haben?"

"Natürlich. Wie sollte ich nicht?"

"Warum hast du mich mitgenommen?"

"Ich wollte sehen, wie du reagierst."

"Und du warst wohl nicht zufrieden?"

"Ja und nein. Du hattest ganz gute Ideen, blicktest aber nicht überall durch. Enttäuscht hat mich nur dein offensichtliches Desinteresse."

Herbert lachte ein bisschen bitter. "Dafür interessiere ich mich jetzt dafür.

Was ist daraus geworden?"

"Ich habe die Häuser renoviert."

Herbert missverstand ihn. "Und nun wirst du teuere Miete verlangen."

"Nein, die Leute wohnen noch immer dort. Sie sind zum Teil sehr alt. Wenn ich sie delogiert hätte, auch in die wunderbare Gegend, die du vorgeschlagen hast, die viel schöner ist – dann hätten sie von ihren Angehörigen nicht mehr besucht werden können, die ihre Arbeit und Familien in der Nähe haben. Das ging nicht."

"Dann hast du die Häuser so weit renoviert, dass keine Gefahr mehr besteht?"

"Na, na, so schnell geht das nicht. Jetzt wird einmal das Dach repariert. Es hat ja zum Teil schon herein geregnet."

Herbert spürte, dass es seinem Vater wohl tat, mit ihm zu sprechen.

"Darf ich heim kommen?" fragte er.

"Nein!" sagte der König.

Der König und die Königin

Der König war kein König; er war der Inhaber eines großen Wirtschafts-Imperiums. Wälder und Mietwohnungen gehörten ihm, Verkaufsketten und Handwerksbetriebe, auch kleinere und mittlere Industrieanlagen; betrieblich verbundene unselbständige Funktionseinheiten bilden eine Anlage . König nennen ihn alle Leute, deren Leben von seinen Entscheidungen abhängig ist. Der König hatte sich nicht zum König gemacht, er hatte geerbt.


Schon sein Ururgroßvater hatte geerbt, und zwar Mietshäuser in der Hauptstadt. Das war vor 150 Jahren. So wie sein Ururenkel heute renovierte er. Einen Teil erklärte er zu Arbeitersiedlungen für die damals aufkommenden umliegenden Industrien. Mit den neuen Mieterschutzgesetzen fand er es vorteilhafter, den Arbeitern zu ermöglichen, die Wohnungen oder sogar kleine Häuser zu erwerben und mit dem Erlös baute er Luxuswohnungen. Im Parterre hatte er an kleine Betriebe vermietet: eine Weinstube, einen Tischler, einen Hutmacher, eine Gemischtwarenhandlung. Zwei oder drei dieser Betriebe übernahm er, da die Inhaber sich finanziell nicht halten konnten.


Das war der Ururgroßvater. Er stellte für die nächste Generation Regeln auf: Die Nachfolger seiner zweiSöhne dürfen ihre Anteile nur innerhalb der Familie verscherbeln. Führungspositionen im Unternehmen sind ausschließlich Familienmitgliedern vorbehalten. Und über die Geschicke des Unternehmens stimmen die Gesellschafter demokratisch ab. Mit diesen Regeln hielt er das Vermögen bis heute in der Familie.


Wo Vermögen ist, fliegt Vermögen zu. Die nächste und die übernächste Generation war nicht so tüchtig wie dieser Vorfahre, aber es gelang ihnen, das Vermögen nicht nur zu halten, sondern auch in geringem Maße zu vermehren. Dann noch einmal ein tüchtiger Geschäftsmann Unternehmenschef. Allerdings verlor das Imperium durch widrige Umstände fast alle erbberechtigten Nachkommen, und so blieb eben nur mehr der heutige "König" übrig.


Er heiratete jung. So kames, dass er seinen Söhnen Herbert, Rupert und dem Dummling ein sehr junger Vater war.


Er interessierte sich eigentlich nicht für das Imperium, ihm wäre es auch recht gewesen, wenn der Vater eine Aktiengesellschaft daraus gemacht hätte. Aber er besaß ein großes Verantwortungsgefühl, und zwar nicht nur für das Imperium, sondern für die gesellschaftliche Verantwortung, die ein solches Imperium mit sich bringt.


Wenn er durch die großen Hallen ging, hatte er nicht immer den Eindruck, dass die richtigen Entscheidungen getroffen wurden. Hier wurde auf Kosten der Umwelt an notwendigen Kontrollen gespart, dort eine Ölkatastrophe tot geschwiegen. In einer Industrieanlage waren die Arbeitsplätze ungesund, in der anderen die Arbeitszeiten unzumutbar. Er dachte, wenn er der Chef des Imperiums wäre, könnte er das ändern. Aber er musste lernen, dass seine Wünsche weit hinter der Wirklichkeit lagen.

Zunächst war er jung, jung und verliebt. Seine Frau war wunderschön. Er hatte sie beim Opernball kennen gelernt, und beider Familien waren sofort einverstanden. Vielleicht war es ja auch arrangiert worden. Das wusste er nicht.

Als er sie das erste Mal sah, saß er zuerst nur da und schaute und schaute. Sie war so schön.

"Warum sehen Sie mich an?" fragte sie.

"Sie sind so schön", sagte er.

"Ja? Das freut mich."

"Und Sie bewegen sich graziös wie eine Königin."

"Das muss man in dem langen Kleid", lachte sie. "Was denken Sie, wie lange ich geübt habe. Zuerst bin ich dauernd darüber gestolpert, vor allem auf den Stiegen."

Der junge Mann staunte. Er hatte nicht erwartet, dass die Schönheit der Mädchen mit Arbeit verbunden war.

...............................................

Sie hatten eine kurze Brautzeit; beide Familien drängten auf frühe Eheschließung. Sie heirateten dann auch bald. Es war eine schöne Hochzeit mit vielen Leuten, mit Musik und Tanz, einem lokalen Witze-Erzähler und einer kleinen Schauspielgruppe. Die Hochzeit dauerte drei Tage. Und das Brautkleid war bemerkenswert. Der König erinnerte sich gerne an ihr Brautkleid. Es war bodenlang, aus Seiden-Batist, oben eng anliegend, mit einem Spitzenüberwurf vom Kopf bis zum Boden. Ein Diadem im glänzendem Haar.

Ihre ersten Ehejahre reisten sie viel, denn das mochte sie. Auch, als sie schwanger wurde, reisten sie noch. Sie bekamen schnell ihre Söhne, erst Rupert, dann Herbert, dann das Dummele. Kindermädchen. Die Kindermädchen kümmerten sich mehr um die Buben als die Mutter. Aber darüber dachte der König nie nach, es gab nur manchmal einen Gedankenblitz wie eine Momentaufnahme, wenn er vage ganz kurz nachrechnete, dass ihm ja in der Ehe etwas fehlte. Aber er hatte eine schöne Frau, und sie hatte keinen Cicisbeo, das musste für sein Leben wohl genug sein.


Der König suchte die Kindermädchen aus, der König sprach den Tagesablauf ab, der König besprach mit den Kindermädchen die sportlichen Übungen und begutachtete die Kinderbücher, las wohl auch manchmal eine Gute Nacht Geschichte vor. Die Königin hatte ihren Freundeskreis und verbrachte wohl auch Zeit mit ihm.


Sie waren noch nicht König und Königin, denn noch entschied der Vater, der Großvater von Rupert, Herbert und dem Kleinen.

Es kam ein großer Einbruch in das Leben des jungen Mannes und Vaters. Er ging durch ein Firmengelände. Er beabsichtigte so weit nichts. Es war ihm recht, wenn sein Vater eine Aktien-Gesellschaft aus der Firma machen würde. Es war wie ein Spaziergang. Da kam er in die Lagerhalle, in der die Produkte für den Einzelhandel sortiert wurden. Da hörte er zwei Männer miteinander sprechen. Es war der Abteilungsleiter für Backwaren und der Chef für die Lagerhalle.

"Legen Sie das übrig gebliebene Brot in die Kiste mit der Aufschrift 'Hintermeier'. Der Gemischtwarenhändler in der Altstadt will nur das Brot vom Bäcker Hintermeier", hörte er den Abteilungsleiter für Backwaren sprechen. "Auf dem Brot selbst steht nur die Art des Brotes, und die Verkäuferin wird dem nicht nachgehen. Wir sind gesetzlich gedeckt und können das Brot auf gute Art verkaufen."

Der Sohn des Imperium-Eigentümers dachte, er hörte nicht recht. Er stellte die beiden Männer, den Abteilungsleiter für Backwaren und den Chef für die Lagerhalle zur Rede.

"Mir ist das nicht recht, wenn Sie Waren falsch deklarieren", sagte er.

"Nichts ist falsch deklariert", rief der Abteilungsleiter für Backwaren.

"Sie führen die Menschen in die Irre!"

"Die sind selbst schuld, wenn Sie nicht genau schauen!"

Der Sohn des Firmen-Eigentümers wandte sich an den Chef für die Lagerhalle: "Geben Sie das Brot in die richtige Kiste!"

Der Chef für die Lagerhalle schaute verwirrt. Der Sohn des Firmen-Eigentümers hatte noch nie eine Entscheidung getroffen.

"Nichts da! Der Chef, der Firmen-Eigentümer, weiß Bescheid und macht das selbst so. Mischen Sie sich nicht ein!" sagte der Abteilungsleiter für Backwaren.


Der Sohn des Imperium-Eigentümers war verwirrt. Er ging zum Vater, der der Firmen-Eigentümer war.

"Es ist doch alles rechtens", sagte der. "Du hast dich doch noch nie um die Firma gekümmert. Misch dich nicht ein!"

Gerne hätte er die Probleme mit seiner schönen Frau besprochen, aber die lachte nur.

"Vergiss nicht, wir gehen heute Abend ins Konzert", sagte sie. "Was denkst du, soll ich anziehen? Zum gelben Chiffon-Kleid müsste ich mir noch passende Schuhe kaufen."


Nein, die schöne Frau war wohl keine Partnerin in geschäftlichen Dingen.


Er ließ die Dinge hängen, lebte sein Leben des Vergnügens mit seiner Frau. Ein bisschen Pflicht brachten seine Söhne, denn nach wie vor besprach er sich mit den Kindermädchen und versuchte, sie emotional zu versorgen.

Durch seine eigeneAmme lernte er die saligen Frauen kennen. Sie lebten im Wald, und seine Amme hatte sie gebeten, ihn zu beschützen.

"Du weißt," sagten sie zur Amme, " dass unsere Welt nicht die der Menschen ist?"

"In der Menschenwelt wird er auch nicht viel Schutz finden," sagte die Amme.

"Wir wissen die Wege der Menschen nicht und können ihr Geschick nicht bestimmen", sagten die saligen Frauen. "Oft hat sogar eine von uns den Tod eines Menschen verursacht, ohne es zu wollen, weil sie seine Wege, seine Art und sein Wesen nicht kannte. Unsere Geschenke können gefährlich sein."

"Und was noch?" fragte die Amme.

"Unsere Geschenke sind an Bedingungen geknüpft."

"Und das erfährt man vorher?"

"Ja, das erfährt man vorher."

"Was soll ich tun?" fragte die Amme.

"Geh mit deinem Schützling zu uns in den Wald, wir werden uns zeigen."


Und so kam es, dass der Sohn des Imperium-Eigentümers mit seiner Amme in den Wald ging und die saligen Frauen traf. Es war keine wunderschöne Lichtung, wo man sich die Saligen normalerweise vorstellt, sondern es war dichter Wald. Die saligen Frauen standen hinter den Bäumen und wie Nebelgeschwader lugte dort ein Kleid, hier eine Haarsträhne hervor. Er hätte sie gerne gebeten, ihren wunderschönen Gesang hören zu lassen, von dem man sagt, dass er so schön sei, dass keine menschliche Stimme sich ihm anschließen könne, ohne grob und störend zu wirken. Aber er traute sich nicht. Die Amme bedeutete ihm, dass es ein ernstes Treffen war.

"Was erbittest du dir von uns?" fragte eine der Saligen.

Der Sohn des Imperium-Eigentümers riss sich zusammen. Er presste die Lippen aneinander und versuchte, die Situation ernst zu nehmen.

"Ich hätte gerne Einfluss auf die Firma", sagte er.

"Das ist nicht unsere Aufgabe!" brauste eine Salige auf.

Da trat eine andere vor. Er konnte ihre ganze Gestalt sehen. Sie war besteckt mit jungen Zweigen von Nadelbäumen, darüber waberte etwas wie Nebel. Ihre Haare waren lang und bewegten sich mit dem umgebenden Nebel mit. Ihr Gesicht erschien wie durch einen Schleier. Obwohl sie so nahe war, konnte er nicht erkennen, ob sie alt oder jung war.

"Ich kann dir Beobachtungsgabe verleihen," sagte sie. "Wenn du gut beobachten kannst, wird es dir möglich sein, deine Schlüsse zu ziehen und zu handeln."

"Das ist gut", sagte er.

"Was ist die Gefahr?" fragte die Amme.

"Oh, das hat er schon erlebt", rief eine andere Salige dazwischen. "Wenn er Dinge zum Guten ändern will, wird immer jemand dagegen sein. Und das kann sehr gefährlich werden. Auch wenn er nur Brot in die richtige Kiste geordnet haben will."

"Willst du das auf dich nehmen?" fragte die Amme ihren Liebling.

"Ja!" war die Antwort.

"Und was ist die Bedingung?"

"Keine Bedingung, aber eine Folge. Du wirst nie mehr glücklich sein. Denn du wirst erkennen, dass du selbst sehr böse Dinge nicht ändern kannst. Willst du das auf dich nehmen."

"Das muss ich wohl"; sagte er.



Die drei Gaben der Saligen

Da wurden die Zweige einer Tanne beiseite geschoben, dahinter wurde eine Felsspalte sichtbar. Aus der Felsspalte wallte Nebel wie durchsichtiger Stoff, hinter den Tannenzweigen schimmerte die Gestalt einer Frau.

"Meistens werden wir um Geburtsgaben für Kinder gebeten", hörten sie. "Wünscht du dir nichts für deine Kinder?"

Die Amme und der Vater öffneten die Augen und standen mit offenen Mund da. Da löste sich eine Salige aus dem Tannendickicht. Ihr Kleid war aus roten Sonnenstahlen gewoben.

"Ich schenke deinem Ältesten, Rupert, diesen Stein. Er wird ihm Erfolg bringen", sagte sie.

Es war ein gewöhnlicher Kieselstein, gut in der Hand zu halten, mit einem prachtvollen Muster aus roten Linien, wohl Eiseneinschlüssen, aber ein gewöhnlicher Kieselstein.

"Und ich schenke deinem Zweiten, Herbert, diesen Ring. Er garantiert Beliebtheit bei den Menschen, bei Alt und Jung, bei Groß und Klein."

Die Salige stand auf einem Hügel und erhob sich gegen den Himmel, ihre Gestalt schimmerte himmelblau. Der Ring war ein billiger Silberring, großartig filigran gearbeitet, aber ein billiger Silberring.


Und da kam ein kleines Ding mit verfilzten moosigen Haaren; in der Hand hielt sie zwei Stricknadeln aus Holz. "Ich schenke deinem Dummle diese Stricknadeln", wisperte sie. "Sie werden ihm helfen, alles Begonnene zu Ende zu stricken."


Eine unscheinbare, freundliche Salige brachte ihnen einen Beutel aus geflochtenem Bast, damit sie ihre Gaben verstauen konnten.


"Was ist die Bedingung?" fragte die Amme.

Die hoch gewachsene Salige, die nach seinem Begehr gefragt hatte, erhob sich, sodass sie über ihm stand: "Sie müssen anständig sein."

"Was heißt Anstand?" fragte die Amme.

"Außer dem eigenen Wohlergehen das der Anderen in Betracht ziehen, auf Umwelt und Tiere achten. Du weißt, dass die Tiere unsere Freunde sind. Sie sind uns näher als ihr Menschen."

"Und was sind die Folgen, die Gefahren?"

Niemand sagte etwas.

"Was sind die Folgen, die Gefahren des Erfolges? Was bedeutet der Stein für meinen Ältesten, für Rupert?"

Die Salige in dem Sonnenkleid antwortete:"Ich kann nur Erfolg garantieren, ich kann nicht auswählen, worin er Erfolg haben wird. Das muss er selbst tun. Und es besteht die Gefahr, dass er falsch wählt."

Die Himmelblaue blickte vom Hügel herab: "Beliebtheit bringt Verantwortung. Man ist verantwortlich für das, was man sich vertraut gemacht hat."

Das kleine Ding mit den verfilzten moosigen Haaren schaute verwirrt. Es wurde ihr bewusst, dass sie mit der Gabe auch zur Hilfeleistung verpflichtet war nach den Regeln der Saligen. Und es war ihr bis jetzt nicht bewusst gewesen, dass ihre Gabe außer Lebenshilfe auch Gefahren barg. Aber eine einmal gegebene Gabe konnte nicht zurück genommen werden.

Die hoch gewachsene Salige, die den Sohn des Firmen-Eigentümersnach seinem Begehr gefragt hatte, bewegte sich.

Sie hob die Hand und sagte: "Fähig zu sein Dinge zu Ende zu bringen, eine Ausbildung bis zum Ende durchhalten, eine Freundschaft bewahren, einer Ehe treu zu sein ist ein hohes Gut. Wenn es aber unmöglich ist, das, was begonnen worden ist, zu erreichen, läuft man Gefahr, sein Leben zu verschleudern."

Die Kleine mit den verfilzten moosigen Haaren erschrak. Der Vater sah es genau, und er erschrak auch. Aber es wurde nichts mehr gesagt.

Die Saligen verschwammen mit dem Wald, dem Himmel und der untergehenden Sonne. Die Amme und der Vater befanden sich im Dickicht des Waldes, und hätte der Vater nicht den Stein, den silbernen Ring und die Stricknadeln im Bastsack gehabt, sie hätten gedacht , sie haben geträumt.


 

Einfluss auf die Firma


"Tiere sind unsere Freunde, sie sind uns näher als ihr Menschen", hatte die Salige gesagt. Der Sohn des Imperium-Inhabers überlegte, welche Tiere es im Imperium gab. Aber zunächst war es ein flüchtiger Gedanke. Denn diesen Abend ging er ja mit seiner Frau ins Konzert. Er liebte Mozart. Es war das Konzert für Flöte, Harfe und Orchester, von guten Musikern gespielt. Und er freute sich darauf. Die Königin trug das gelbe Chiffon-Kleid, dazu passend gelbe, hohe Stöckelschuhe. "Wie kann man nur in diesen Schuhen gehen?" dachte er. Aber sie gefiel ihm. Die Handtasche hatte ihre Freundin selbst aus einem Vorhangstoff gemacht. Sie passte gut dazu. Es wurde ein wunderschöner Abend.


Am nächsten Tag fiel ihm die Tierhaltung wieder ein. Er hatte sich kaum je um seines Vaters Wirtschaftsimperium gekümmert und er überlegte sich, dass er nun überfordert wäre, sich um alle Tierfabriken und Bauernhöfe sofort zu kümmern. Es wäre wohl besser, sich einmal einen herzunehmen. Aber was würde sein Vater sagen? Sollte er ihn um Rat fragen? - Er entschied sich dagegen. Vor allem nach dem Erlebnis mit der richtigen Beschriftung nahm er an, dass sein Vater ihn nicht verstehen würde.


Er entschied also, ohne viel nachzudenken, eine der Tierfabriken seines Vaters zu besichtigen, die mit einem Markenzeichen ausgestattet worden war. Als er hinkam und den Geschäftsführer sprechen wollte, stellte sich heraus, dass er mit dem in die Volksschule gegangen war.

"Bert, hattet ihr nicht selbst einen Bauernhof?" fragte er.

"Wir konnten ihn nicht halten, er ist still gelegt", antwortete Bert. "Dauerbrache. Wir waren wohl zu ungeschickt, uns in der heutigen Zeit zu halten."

"Und wo seid ihr jetzt alle?"

"Die Maria hat eine Ausbildung zur Altenpflegerin gemacht, die geht halt jetzt von Familie zu Familie. Der Sepp ist Lehrer, das war ja von vornherein geplant. Die Zwillinge arbeiten beim Bau. Die Eltern verkaufen noch ein bisschen Gemüse."

"Du, der Sepp, die Zwillinge und Maria, hättet ihr es nicht probieren können?"

"War nicht zu machen. Die landwirtschaftlichen Produkte aus den Industrie-Betrieben wie diesen hier waren zu billig. Wir hätten nicht konkurrieren können. Und du bist also jetzt mein Chef?"

"Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn ich dir das gestehe, aber ich habe nichts zu entscheiden."

"Und was willst du hier?"

"Ich will mir das einmal anschauen."

"Worum geht es dir?"

"Ehrlich gesagt, ehrlich gesagt, ich getraue es mich kaum zu sagen, es geht mir um den Tierschutz."

"Warum getraust du dir das nicht zu sagen? - Weil es verrückt ist, an Tierschutz zu denken, wenn es um Verkaufen und um das billige Fleisch geht," sagt Bertl bitter. "Aber glaub mir, was immer du hier siehst, woanders ist es noch schlechter."

"Ja, schon möglich. Ihr habt ja auch eine Auszeichnung bekommen. Deshalb bin ich auch her gefahren. Ich wollte nicht gerade mit dem Schwierigsten anfangen."

"Du willst die Welt, sprich das Imperium deines Vaters, verbessern? Wie kommst du denn drauf?"

Dem Sohn des Imperium-Inhabers riss es. Wenn das alles auch im flapsigen Ton gesagt worden war, so hörte er doch irgendwie heraus, dass er hier Verständnis finden könnte.

....................................

Bert erklärte: "Viele denken bei einem Schweinemastbetrieb mit 800 Tieren an industrielle Landwirtschaft im großen Stil: eine riesige Fabrikshalle, gleißendes Licht, mehrere Billiglöhner als Angestellte. Bei unssieht es ein bisschenanders aus."

Der Sohn des Imperium-Inhabersbeugte sich zu Bert: "Wie sieht es aus? Ich weiß gar nichts."

"Wir produzieren eben dieses Gütesiegel-Fleisch, liefern aber zum Großteil an den überregionalen Schlachthof."

"Die Ferkel ziehen wir nicht selbst auf. Wir kaufen sie mit einem Gewicht von 30 Kilogramm von zwei nahe gelegenen Züchtern."

Die Salige hatte dem Sohn des Imperium-Inhabers die Gabe zu beobachten verliehen; er fragte: "Wie werden die Ferkel behandelt, bis sie 30 Kilogramm haben?"

"In Kastenstandhaltung. Kastenstandhaltung - das heißt: Die Sau wird nach der Geburt der Ferkel in einen abgegrenzten Bereich gestellt, der kaum größer ist als sie selbst. Sie kann sich also nicht umdrehen, nicht vorwärts und nicht rückwärts gehen, sondern nur stehen und liegen - und das für einen Zeitraum von vier Wochen."

"Und trotzdem machst du da mit?"

"Was soll ich tun? Ich habe auch eine Familie zu ernähren, drei Kinder, eine Frau, die nicht viel verdient..."

"Wie rechtfertigt man eine solche Tierhaltung? Es ist doch offensichtlich, dass ein Schwein leidensfähig ist."

"Man argumentiert, beim dritten, vierten Mal gehe eine Sau schon freiwillig in den Kasten. Einmal drin, wehre sie sich nicht, sondern sei ruhig. Der Sinn der Kastenstandhaltung sei das Vermeiden von Produktionsausfällen, sprich: Die Sau könne keines der Ferkel erdrücken, was sonst hin und wieder vorkomme."

"Wie geht es dann weiter?"

"Wenn die Ferkel dann zu unserem Mastbetrieb ankommen, werden sie in verschiedene Räume des Stalls und dort in einzelne Boxen verteilt, sortiert nach Alter. Die Größe dieser Boxen liegt bei rund 25 Quadratmetern, die Belegung variiert zwischen 20 und knapp 40 Tieren. Die Ausstattung ist karg. Die Tiere bewegen sich auf einem Betonboden mit kleinen Spalten, durch die ein Großteil der Ausscheidungen in einem Gülletank unter dem Stall verschwindet. Die Fütterung erfolgt automatisch, ein Trog in der Mitte wird befüllt. Getrunken wird aus einem Trinknippel an der Wand."

"Was ist dann bei euch anders?"

"In jeder Box hängt eine Eisenkette mit Gummiteil, zum Spielen. Die Tiere schieben den Gummi hin und her und reißen an der Kette,"

"Ist das alles?"

"Täglich wird in den Boxen eine Dusche aufgedreht. Jedes Tier, das will, kann sich berieseln lassen, was beruhigend wirkt. Ruhige Schweine garantieren eine geringe Ausfallsquote. Anfangs lief das Duschprogramm automatisch. Weil aber die Temperaturen schwanken und es manchmal ein bisschen zieht, waren dann einzelne Tiere erkältet. Jetzt wird manuell berieselt. Der Stall selbst ist großteils aus Holz gebaut, auch das war uns wichtig, die klassische Fabriksanmutung sollte vermieden werden."

"Aha."

"Die Fütterung erfolgt viermal täglich, jedes Mal über mehrere Stunden hinweg. Das ist nicht Standard, sondern soll ebenfalls zur Beruhigung der Tiere beitragen. Die Aufregung, die entsteht, wenn punktuell Futter für alle kommt, wird so vermieden."

"Und wo kommt das Futter her?"

"Beim Futtermittel setzen wir zum größten Teil auf Selbstversorgung. Mais, Weizen und Gerste werden auf den eigenen Feldern geerntet. Zugekauft werden Sojakonzentrat und ein Mix aus Mineralstoffen und Vitaminen. Das Ganze kommt als Brei mit Wasser gemischt aus Rohren in den Trog. Klassische Leistungssteigerer, Hormone und Antibiotika werden nicht verfüttert, sie sind in unserem Land sowieso verboten."

"Was könnte man ändern, um die Wirtschaftlichkeit nicht zu sehr zu gefährden? Schließlich ist niemand geholfen, wenn du aufhörst und das Fleisch bei einem Betrieb mit einer riesigen Fabrikshalle, gleißendem Licht, mehrere Billiglöhner als Angestellte gekauft werden?"

"Zunächst einmal sollten die Tiere auf keinem Spaltboden gehen müssen. Stroh müsste vorhanden sein. Der Stall müsste über Außenflächen verfügen, die die Tiere benützen könnten."

"All das würde Investitionen in bauliche Maßnahmen bedeuten. Das Misten des Stalles würde viel Zeit in Anspruch nehmen und wäre mit so wenigen Angestellten kaum zu bewältigen. Das alles ist meinem Vater wohl zu teuer."

"Was heißt deinem Vater? Der weiß wahrscheinlich gar nicht, was für eine Schweinemast notwenig ist und wie verkauft wird. Auch dieser Betrieb muss kostendeckend und darüber hinaus sein. Alle, die davon profitieren, müssten Abstriche machen. Was heißt Abstriche! Es müsste einem einfach wert sein!"

"Die Tiere sind in erster Linie eine Ware und erst in zweiter Linie Lebewesen."

"Ja, aber wir versuchen, im Rahmen einer wirtschaftlichen Haltung von Schweinen Tierleid zu verhindern, wo es geht."




Die Mutter


"Der Kleine Bär räumt auf

Der Kleine Bär hat gerade eine Bienenwabe mit Papa Bär gebastelt.


'Wir müssen für die Bienen ein Haus machen. Dann geben sie uns Honig' sagt Papa Bär.

Nun muss der Kleine Bär sich die Hände waschen.


Mama Bär ist auch im Garten.


Aber nun holt Mama Bär den Kleinen Bären ins Wohnzimmer. Da sitzt Oma Bär.

'Spiel mit Oma Bär!' schlägt Mama Bär vor.

'Garten', sagt der kleine Bär.

'Nein, es regnet jetzt stark', antwortet Mama Bär.


Oma Bär hat Lego-Steine mitgebracht. Interessiert betrachtet der kleine Bär die Lego-Steine.

'Schau!' Oma Bär zeigt auf die Lego-Steine.

Sie legt einen Lego-Stein über den anderen. Im Nu ist ein Turm da. Oma Bär hat einen Turm gebaut.

'Aufbauen ist schön', behauptet Oma Bär.

'Abbauen', sagt der Kleine Bär und wirft den Turm um.

Aber dann bauen beide eine Weile auf.


'Jetzt müsst ihr aufräumen', ordnet Mama Bär an.

Oma Bär räumt die Lego-Steine in die Schachtel.

'Nein', ruft der Kleine Bär und holt die Lego-Steine wieder heraus.

Nun räumt Mama Bär Lego-Steine in die Schachtel.

'Jetzt du!' sagt sie zum Kleinen Bär.

'Nein', widersetzt sich der Kleine Bär.

'Ich räume nicht alleine ein!' wehrt sich Mama Bär.

Da wirft der Kleine Bär auch ein Lego-Steinchen hinein. Er spitzt zu Mama Bär hinüber, die weiter einräumt. Oma Bär tut nichts mehr. Als Mama Bär herschaut, wirft er wieder ein Lego-Steinchen hinein, dann schaut er wieder verschmitzt.

'Jetzt habe ich genug', sagt Mama Bär.


Mama Bär geht hinaus. Der Kleine Bär fängt an zu brüllen. Er legt sich auf den Boden und strampelt mit den Beinen. Und er schreit.


Papa Bär kommt.


'Worum geht es?' fragt Papa Bär.

'Der Kleine Bär will die Lego-Steine nicht aufräumen', erklärt Oma Bär.

Der Kleine Bär brüllt noch immer. Papa Bär hebt ihn auf. Der Kleine Bär strampelt mit den Beinen und brüllt.

'Oma Bär muss jetzt gehen', sagt Oma Bär.

Der Kleine Bär hört auf zu schreien und schaut Oma Bär nach.


'Oma Bär ist im Garten', sagt Mama Bär. "Wenn du die Lego-Steine aufräumst, darfst du auch in den Garten. Es hat aufgehört zu regnen. Beeil dich! Die Erdbeeren sind schon reif.


'Aufräumen!' sagt der kleine Bär.

Dann gehen sie alle in den Garten.


Auf dem Weg zum Erdbeerbeet finden sie ein Wildbett; das ist eine Mulde im Gras, auf dem ein Tier gelegen ist. Es sind auch ein paar Haare da, und sie rätseln, welches Tier es gewesen sein könnte. Aber sie wissen es nicht. 'Katze', sagt der Kleine Bär. 'Vielleicht', antwortet Papa Bär. 'Es könnte aber auch ein Hund oder ein Hase gewesen sein'.

'Hase', sagt der Kleine Bär.

Dann genießen sie die Erdbeeren, während Papa Bär über seinen Ausflug auf denSchneeberg erzählt."


Der Sohn des Imperium-Eigentümers saß im Polstersessel und hörte seiner Frau zu, wie sie den drei Buben, Rupert drei, Herbert zwei und der Dummling gerade erst geboren, die selbst erfundene Geschichte vorlas. Es gab Bilder dazu, Fotografien von der Familie, die gezeichnete Bärenköpfe bekommen hatten.

Der Sohn des Imperium-Eigentümers genoss den Abend, er liebte seine Frau und er liebte seine Kinder. Sie war schon im Nachthemd, ein dicht gewebtes Leinenkleid, eng anliegend, bodenlang, weiß, im Ausschnitt grün bestickt. Im Arm hielt sie den Dummling, weil der ungeduldig wurde, wenn sie sich zu viel mit den anderen beiden beschäftigte. Er liebte dieses Bild. Es schien ihm wie das Symbol einer Mutter. Er liebte diese Abende.


Der Weg zum Königtum


Am nächsten Tag beschäftigte er sich wieder mit Tierschutz, das heißt mit dem Schutz der Schweine in dem Betrieb, den er besichtigt hatte. Er sagte seiner Frau nichts davon. Er sagte nur, er wäre beschäftigt, und ging. Seiner Frau war es nicht recht. Sie wollte wissen, was er tat, was er dachte, und sie wollte, dass er sich mit ihr beschäftigte. Aber er wusste, sie würde ihn nicht verstehen.

"Bert", fragte er, "Wie selbständig bist du?"

"Ziemlich", antwortete Bert. "Solange die Kohle stimmt. Jetzt, da der Betrieb die Auszeichnung bekommen hat, geht es recht gut."

"Wie du weißt, habe ich schon etwas Geld, das ich selbständig ausgeben kann", erklärte der Sohn des Imperium-Eigentümers. "Ich möchte , dass der Spaltboden abgeschafft wird und die Tiere Stroh bekommen. Ich habe schon einen Bau-Unternehmer beauftragt, der die bauliche Maßnahmen für die Außenflächen für die Tiere, für den Auslauf,besorgen soll. Du, bitte, sorge für Arbeitskräfte, die den Stall und die Außenflächen sauber halten, und was sonst notwendig ist. Mit all diesen Maßnahmen schaffe ich ja auch Arbeitsplätze."

"Oh!"

"Außerdem möchte ich, dass du die Ferkel selbst aufziehst, ohne Kastenhaltung, Versteht sich."

"Sonst noch etwas?"

"Du setzt dich heute noch hin, und beantragst, dass du die Schlachtung auf dem Hof durchführen darfst. Ich möchte nicht, dass die Tiere durch halb Europa transportiert werden, um einer billigen Schlachtung zugeführt zu werden."

"Nicht billig. Ich habe das sehr sorgfältig ausgesucht."

"Der überregionale Schlachthof. Ich weiß. Das hast du gesagt."

"Hast du mit deinem Vater geredet?"

"Nein"

"Das musst du aber!"

"Ich habe gedacht, du bist weitgehend selbständig. Ich verwende nur Geld, über das ich selbst verfügen darf."

"Schon möglich. Ich vertraue dir ja auch. Trotzdem musst du mit deinem Vater reden, sonst mache ich nicht mit."


Der Imperium-Eigentümer war aber sofort einverstanden. Der junge Mann war sehr erstaunt. Aber der Imperium-Eigentümer hatte schon mit der Bio-Welle geliebäugelt, und er sah hier auch eine Möglichkeit, seinen Sohn sich bewähren zu lassen. Außerdem machte ihm die Auszeichnung Mut.


Es wurde ein voller Erfolg, und dieser Erfolg war dann ausschlaggebend, dass der Imperium-Eigentümer den Besitz erbte und zum "König" wurde.


Dummlings Suche nach Rübezahl


Der Dummling hat also Herbert verlassen. Nach der Art eines Dummling dachte er nicht darüber nach, wie es Herbert erging. Er hatte nicht mitgekriegt, wie unglücklich Herbert war. Der Zweck seiner Wanderung war eigentlich, Rübezahl zu finden, seine Zauberstricknadeln zu finden, aber wenn das auch Richtlinien waren, so dachte er doch nicht so viel darüber nach. Er wanderte das Gebirge entlang, bergauf, bergab, genoss die schöne Landschaft und wartete darauf, dass etwas passierte. Manchmal flog der Diadem-Vogel an ihm vorbei:

"Weißt du schon etwas?" rief der dann wohl, und ließ seine rasselnden und gutturalen Laute hören.

Einmal sagte er:"Ich bin drauf gekommen, dass es in Europa auch Vögel mit einer Holle gibt. Nicht so schön wie meine, natürlich."

"Ja", sagte der Dummling. "Die Haubenmeise".

"Die kenne ich nicht", sagte der Diadem-Vogel. "Ich habe einen Kiebitz getroffen."


Der Dummling traf auch die Hausfrau wieder. Er hatte das Rezept aus dem Internet abgeschrieben und zeigte es der Frau:


Zutaten:


Sauerteig (ca. 16 Stunden bei 26°):

110g Roggen 1150

110g Wasser


Vorteig: (1 Stunde bei Raumtemperatur anspringen lassen, dann über Nacht ins Kühle gestellt)

100g Dinkel 1050

90g Wasser

1g Hefe


Brühstück: (mind. 2 Stunden vor dem Kneten ansetzen)

75g Saaten

20g Flocken

35g Roggen-Vollkorn

13g Salz

200ml Buttermilch, kochend


Hauptteig:

Sauerteig

Vorteig

Brühstück

35g Roggen-Vollkorn

140g Dinkel-Vollkorn

100g Weizen 550

160g Karotte, grob geraspelt


etwa 30-50ml Buttermilch


Zubereitung:


Aus den Zutaten ca. 10 min. einen Teig kneten. Dann den Teig eine halbe Stunde zur Teigruhe stellen, nochmal kurz kneten, wirken (oder auch einfach in die Kastenform löffeln und mit nassem Löffel glatt streichen) und in eine gebutterte Kastenform geben. Abdecken und zur Gare stellen, bis der Teig die Kastenform-Kante erreicht hat (dauert etwa 1 1/2 Stunden).


Ofen rechtzeitig vorheizen (Kastenbrote backt man immer auf dem mit vorgeheizten Backblech und nicht auf dem Stein) und mit Schwaden bei 250 Grad anbacken, danach abfallend bis 180 Grad - ca. 1 Stunde - dann weitere 5 Minuten ohne Kastenform und nochmals einige Minuten bei Umluft für eine knusprige Kruste. (Klopfprobe)


"Das kenne ich", sagte die Frau. "Aber es fehlt noch etwas".

"Ja, das habe ich mir gedacht", antwortete der Dummling. "Aber ich habe Rübezahl noch nicht getroffen".


Mittlerweile hatte die kleine Salige mit dem verfilzten moosigen Haar sich ihrer Aufgabe erinnert, sich ihres Patenkindes, des Dummlings, anzunehmen. Genaugenommen war sie ja auch erst zur Begleitung des Dummlings verpflichtet, wenn er die Zauberstricknadeln innerlich in Besitz genommen hatte. Und ihre Schwestern kümmerten sich ja auch nicht um Herbert und Rupert, denn auch diese ignorierten den Zauberstein und den Zauberring. Aber die kleine Verfilzte wurde von ihren Schwestern nicht sehr ernst genommen und hatte bis auf Weiteres keine besonderen Aufgaben. Außerdem fürchtete sie sich davor, dass der Dummling zu sehr in die Irre gehen könnte. Ihn daher zurück zu holen, könnte zu schwer oder zu anstrengend für sie werden. Da passte sie schon lieber gleich auf ihn auf.

Mit einiger Mühe hatte sie ausfindig gemacht, wo er war. Nun überlegte sie, wie sie sich ihm nähern sollte.

So kam es, dass der Dummling mitten im Gebirge ein Kind traf, ein kleines Mädchen mit blonden verfilzten Haaren. Die Rolle lag der kleinen Saligen, denn sie war ja selbst fast noch ein Kind.


Das kleine Mädchen war ganz zutraulich. Es ging auf den Dummling zu und ergriff seine Hand. "Liest du mir etwas vor?" fragte sie.

Der Dummling war ziemlich erstaunt. Er fragte sich, was er tun sollte. Die Polizei rufen? Er nahm schon sein Handy heraus, dann fiel ihm ein, dass ein Elternteil sicher in der Nähe sein würde. Wie käme das Kind sonst in das Gebirge.

"Ich kann dir eine Geschichte erzählen", antwortete er. "Zum Vorlesen habe ich nichts da."

Und mit dieser Bereitschaft punktete er gleich bei der Saligen.

"Nein, nein", lehnte sie ab. "Ich habe ein Buch da."

Sie reichte ihm ein Buch mit Bildern, deren Gestalten seltsam lebendig schienen.

"Ich will diese Geschichte", eiferte sie und blätterte in dem Buch, bis sie gefunden hatte, was sie suchte.

"Na dann", sagte er und setzte sich auf einen Stein, der groß genug war, dass das Mädchen sich dazu setzen konnte. Er überflog die erste Seite kurz, dann begann er zu lesen:


"Der kleine Bär und das Bärenmädchen


Der kleine Bär hat eine Schwester bekommen, das Bärenmädchen. Der kleine Bär entdeckt das Bärenmädchen in der Wiese. Das Bärenmädchen liegt direkt neben einem kleinen Bach.


Das Bärenmädchen ist zugedeckt mit weißen Blumen, kleinen Sternchen, die auf winzigen hellgrünen Blätterchen rasten.


Das Bärenmädchen liegt unter einem Felsen. Der Felsen beschützt das Bärenmädchen. Hinter dem Felsen ist das Bächlein. Das Bächlein ist mit Schilf bewachsen.


Der kleine Bär ist neugierig und will das Bärenmädchen sehen. Aber er fürchtet sich. Deshalb versteckt er sich im Apfelbaum. Der Apfelbaum ist so voller Äpfel, dass er die Zweige weit herunter hängen lässt. So kann sich der kleine Bär gut verstecken. Aber der kleine Bär steckt die Nase neugierig heraus.


Dann kommt Mama Bär und führt den kleinen Bär zum Schwesterchen.


Schau“, sagt Mama Bär. „Dein Schwesterchen hat an jeder Hand fünf Finger.“

Und sie zählt: „Eins, zwei, drei, vier, fünf.“


Nun fürchtet sich der kleine Bär noch mehr, und er versteckt sich in der Eberesche. Die Eberesche hat viele Beeren. Man nennt die Beeren der Eberesche Vogelbeeren. Man kann aus Vogelbeeren leckere Marmelade machen.


Schau!“ sagt Mama Bär. „Das Bärenmädchen ist wach.“

Das Bärenmädchen liegt auf der Wiese.

Nun kommt der Kleine Bär dazu.

Eins, zwei, drei“, zählt er die Fingerchen des Bärenmädchens.

Vier, fünf“, vollendet Mama Bär.




Eins, zwei, drei“, wiederholt der Kleine Bär.

Vier, fünf“, sagt Mama Bär.

Der Kleine Bär lacht. Dann läuft er davon und holt sein Spielzeug. Er baut sein Spielzeug rund um das Bärmädchen auf. Das Bärmädchen greift danach. Da schiebt der Kleine Bär das Spielzeug weg. Er macht einen großen Kreis von Spielzeug rund um das Bärenmädchen, so groß, dass das Bärenmädchen sein Spielzeug nicht erreichen kann.


Da beginnt das Bärenmädchen zu weinen. Der Kleine Bär nimmt das Stoffkatzi und gibt es dem Bärenmädchen. Nun lacht das Bärenmädchen.


Der Kleine Bär lacht auch.“


Weißt du, wer der Kleine Bär ist?“ fragte das Mädchen mit den filzigen Haaren.

Nein“, antwortete der Dummling.

Das warst du.“

Ich habe keine Schwester.“

Du hattest eine. Sie ist tot.“

Der Dummling schaute sie groß an. Aus ihrem kindlichen Gesicht leuchtete die Weisheit von Jahrhunderten.


Rupert.


Es wird Zeit, dass wir uns wieder Rupert zuwenden. Wenn wir uns erinnern, Herbert hatte Rupert nach der Wirtshausrauferei verlassen. Rupert liebte es, die Stätten der Welt aufzusuchen, die Vergnügen versprachen. Herbert tat es aus Interesse, aus Forscherdrang, die Aspekte des Lebens zu erkennen, wohl auch auszuloten, ob ihm Solches gefallen könnte. Rupert ging darin auf. Die Wirtshausrauferei hätte ihm wohl auch nichts ausgemacht, wäre da nicht sein Elternhaus gewesen. Irgendwie fühlte er sich der vornehmen Würde, das dieses vermittelte, noch verbunden. Er nahm sich vor, ein Solches nicht mehr geschehen zu lassen.


Aber er verstand nicht, wenn er ja an das Geschenk der Saligen glauben sollte, warum er nicht den Ring bekommen hatte, der Beliebtheit versprach. Wie würde ihn so eine Gabe helfen! Der Party-Löwe zu sein, das würde ihm gefallen.


Er dachte über die Bemerkung Herberts nach, wo er denn Erfolg haben wolle.

"Ja", dachte er. "Wo will ich Erfolg haben?"

Ihm fiel nichts ein. Seine Vorstellung von einem guten Leben war, jeden Tag ein neues Vergnügen zu haben.


Er hatte Forstwirtschaft studiert, und er hatte das Studium auch abgeschlossen. Er hatte etwas länger gebraucht, denn zu manchen Prüfungen war er nicht termingerecht angetreten. Aber obwohl er die lustige Seite des Studentenlebens genoss, hatte er nach und nach alle Prüfungen ohne Schwierigkeiten geschafft. Er hatte ein gutes Gedächtnis und eine gute Kombinationsgabe, und so wiederholte er bei den Prüfungen, was die ProfessorInnen gesagt hatten. Das gefiel denen. Es war ihm wohl bewusste, dass er damit an den Vorstellungen seines Vaters vorbei ging. Denn die ausschließliche Wirtschaftlichkeit ohne Rücksicht auf Natur und Mensch, die dieses Studium vermittelte, widersprach dessen Prinzipien. Und an seinem Vater hing er, wie seine Brüder auch.

Aber er dachte: "Die Wünsche meines Vaters zu erfüllen, dafür ist später mmer noch Zeit."


Das Studentenleben gefiel ihm. Er fand Gleichgesinnte. Er sah wohl, dass der lockeren Arbeitsauffassung nicht alle gewachsen waren und scheiterten und womöglich Jahre ihres Lebens vertan hatten. Aber weder zog er Schlüsse für sich selbst, noch kümmerten ihm diese Jugendlichen.

"Jeder ist für sich selbst verantwortlich", so dachte er, auch wenn er derjenige war, der einen jungen Menschen hinab gezogen hatte.


Einmal bekam eine junge Frau ein Kind von ihm. Es war nur das Erlebnis einer Nacht. Er bot ihr das Geld für eine Abtreibung an, oder aber eine monatliche Banküberweisung. Sie forderte auch monatliches Geld für sich selbst und setzte die Forderung nach der Banküberweisung so hoch an, dass sie selbst nie so viel verdienen würde. Da wusste er, dass sie es darauf angelegt hatte. Sein Vater organisierte noch, dass sie unterschrieb, dass das Kind keine Erbansprüche stellen würde.


Von da an war er vorsichtiger.


Vage streifte ihn der Gedanke an den alten Wald, den der Vater retten wollte. Aber er ließ ihn wieder fallen. Aber er machte sich dann auf zu den beiden Mammut-Bäumchen, die sein Bruder Herbert gesetzt hatte.

"Wenn eines von ihnen eingeht, so ist einer von uns tot", hatte Herbert gesagt.

Als er zu den Bäumchen kam, hatte das linke gut zugelegt und neue Zweige bekommen. Das rechte aber welkte dahin und ließ die Äste hängen.



Die kleine Saligemit den verfilzten moosigen Haaren


Obwohl die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren den besten Eindruck von dem Dummling hatte, wusste sie nicht, was sie von ihm halten und wie sie ihm begegnen sollte. Nachdem sie dem Dummling ein Familien-Geheimnis mitgeteilt hatte, verschmolz sie mit dem Wald. Sie ließ Farne über sich fallen und zog sich ins Unterholz zurück. Der Dummling rieb sich die Augen, fragte sich noch kurz, ob er verantwortlich sei, hielt es dann für möglich, dass er geträumt hatte, und ließ die Sache ruhen.


Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren war völlig verwirrt. Sie wollte doch alles richtig machen. Wie sollte sie den Dummling beschützen? Er war gut. Das hatte er durch seine liebevolle Art gegenüber dem kleinen Mädchen bewiesen. Aber er war auch naiv. Wie hätte er sonst die Anwesenheit eines kleinen Mädchens mitten im Gebirge hinnehmen können? Ein Dummling eben. Und die Stricknadeln, die einen Menschen veranlassten, alles, was er begonnen hatte, zu Ende zu "stricken", waren wohl nicht das richtige Geschenk für so einen Naivling, der sich womöglich in eine völlig falsche Sache verrannte.


Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren saß auf einem felsen und setzte sich an zu weinen. Da gesellte sich ihr die Salige mit dem Kleid, das aus roten Sonnenstahlen gewoben war, hinzu. Die Salige mit dem Kleid aus roten Sonnenstrahlen war diejenige, die Rupert den Stein geschenkt hatte, der dem Besitzer Erfolg versprach.

"Warum weinst du?" fragte sie.

"Ich weine nicht", antwortete die die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren.Sie fürchtete sich ein bisschen vor der erfahrenen Saligen.

"Aber fast!" sagte die Salige mit dem Kleid aus roten Sonnenstrahlen.

"Ich weiß schon," fuhr sie fort. "Du fürchtest um denen Schützling."

Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren schniefte.

"Das brauchst du nicht", erklärte die Salige mit dem Kleid aus roten Sonnenstrahlen. "Da müsste ich noch viel mehr Angst haben. So wie Rupert sich aufführt, könnte er bei dem größten Bankraub des Jahrhunderts Erfolg haben. Nicht umsonst haben wir entschieden, ihnen die Geschenke einstweilen zu entziehen."

"Was? Das waren wir? War das notwendig? Der Vater hätte sie ihnen sowieso noch nicht gegeben."

"Ach, sie sind erwachsen. Sie hätten sie sich nehmen können. Nicht, dass große Gefahr war. Sie glauben nicht daran."

"Aber wer hat die Geschenke gestohlen?"

"Eine von uns. Sie will einen Sterblichen heiraten. Und um den Schaden zu begrenzen, wollten wir sie mit den drei jungen Männern zusammen bringen. Jeder von ihnen ist ja irgendwie tragbar, vor allem, wenn er geführt wird."

"Durch eine von uns."

"Ja. Außerdem sollten wir doch Einfluss nehmen auf dieses riesige Reich. Nicht, dass es uns Salige irgendeinmal nicht mehr gibt."

"Hast du schon einmal einen Schützling gehabt?"

"Ja." Salige mit dem Kleid aus roten Sonnenstrahlen schaute verloren.

"Und wie war es?"

"Schrecklich."

"Und da lässt du Rupert einfach so?"

"Ja, ich habe keine Lust, jemanden zu seinem Glück zu zwingen, und einen Menschen schon gar nicht."

"Erzählst du mir die Geschichte von deinem Schützling?"

"Ja, hör zu!


Der Schützling der Saligen mit dem Kleid aus roten Sonnenstrahlen


"Er war nicht aus reicher Familie, aber seine Familie war auch nicht arm."

"So? Ich habe gedacht, normalerweise kümmern wir uns um brave Arme."

"Tja, wer ist ein braver Armer? Unser Imperium-Eigentümer ist bis heute orientierungslos und hat Hilfe verdient. Seine Söhne möglicherweise auch."

"Geht es oft schief?"

"100e Male. Wir wissen ja nicht wirklich, was dem Menschen genehm ist. Uns geht es wie der Nixe, die den Fischer, in dem sie verliebt war, ins Wasser zog, weil sie ihm die Unterwasserwelt zeigen wollte, und dann erstaunt und natürlich entsetzt war, dass er ertrank. Sie wusste nicht, dass Menschen Luft zum Atmen brauchen. Deshalb müssen wir auch so vorsichtig sein und uns möglichst nicht einmischen."

"Und wie ging es weiter?"

"Was?"

"Wie war mit deinem Schützling los?"

"Ah so."

"Er wollte Erfolg haben. Unter seinesgleichen zählt das viel."

"Also nicht nur solide Lebensgrundlage, sondern Erfolg, Erfolg um jeden Preis?"

"Nein, er nicht."

"Was soll das heißen?"

"Ich wollte, dass er glücklich ist. Erst war noch alles normal. Er wollte sein Studium der Medizin beenden. Ich brachte ihm all unser Salkweiberwissen bei, ud er wurde ein berühmter Arzt."

"Ja, das passiert ja öfter."

"Was?"

"Dass unsere Schützlinge berühmte Ärzte werden, weil sie von unserem Salkweiberwissen zehren."

"Dann heiratete er eine ehrgeizige Frau. Erst wollte sie ein standesgemäßes Haus, dann ein größeres Haus, dann so etwas wie ein Schloss. Das ist jetzt alles ein bisschen symbolisch ausformuliert."

"Ich versteh dich schon."

"Als er dann ein Jagdgebiet mietete, Hirschen und Bären halb betäubte und mit dem Hubschrauber vor zahlende Touristen trieb, damit sie sie schießen, hatte ich genug.."

"Natürlich!" Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren wandt sich vor Ekel und Entsetzen.

"Was tatest du?"

"Was hättest du getan? Eines Tages stürzte er ab."

"Du hast ihn getötet?" fragte die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren mit großen Augen.

"Was hätte ich tun sollen? Wie hätte ich sonst meine Tiere schützen sollen?"

Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren dachte nach. Man hätte Rübezahl einschalten können. Aber das Ergebnis wäre für den Mann dasselbe gewesen. Rübezahl hätte in einem riesigen Unwetter einen Bergrutsch verursacht, der ihn unter sich begraben hätte, oder einen Lawinen-Abgang, oder einen Blitzschlag. Überzeugungsarbeit durch Reden hätte Rübezahl in seiner Wut sicher nicht angefangen. Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren dachte, dass sie selbst vielleicht ein Gespräch versucht hätte. Aber die Tiere gehörten ihrer saligen Schwester mit dem Kleid aus roten Sonnenstrahlen. Nein, sie konnte ihr ihr Verhalten nicht übel nehmen.


"Und was ist jetzt mit Rupert?"

Die Salige mit dem Kleid aus roten Sonnenstrahlen zuckte die Schultern.


Der Dummling auf dem Weg zu Rübezahl


Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren beschloss, es der Saligen mit dem Kleid aus roten Sonnenstrahlen nicht gleich zu tun und auf den Dummling gleich aufzupassen. Welche Gefahr drohte ihm? Denn die Geburtsgaben wirkten irgendwie, auch, wenn sie sich noch nicht in der Hand des Besitzers befanden. Allerdings konnte man die Schützlinge in der Situation wieder auf den rechten Weg zurück führen.


Der Dummling besaß Stricknadeln, die alles zu Ende stricken, was der Besitzer begonnen hatte. Das war eine große Gabe: Fähig zu sein, die Aufgaben, die man begonnen hatte, zu Ende zu führen, sei es, einen Schulabschluss zu machen, sei es einer Frau treu zu sein. Gefährlich wurde die Gabe, wenn man sich in etwas verrannte, was unmöglich war.


Was hatte der Dummling begonnen? - Er wollte Rübezahl finden. Vielleicht wollte er Rübezahl herausfordern. Das wusste sie nicht. Wenn dem so war, musste die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren den Dummling davon abbringen. Das würde Rübezahl bitter übel nehmen. Rübezahl war der Herr der Berge, der Herrscher über Wind, Sturm und Wolken, der Befehlshaber über leidenschaftliche Gefühle und Wünsche der Menschen. Der Dummling hätte keine Chance.


Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren wusste aber sicher, dass der Dummling sich von Rübezahl Lebensorientierung erhoffte und der Hausfrau mit ihrem Sauerteig helfen und den Diademvogel heimbringen wollte. Aber auch da war Gefahr. Was, wenn Rübezahl sich nicht zeigen wollte? Dann würde der Dummling, auf Grund seiner Stricknadeln, sein ganzes Leben lang suchen und nichts anderes mehr tun können.


Und wollte der Diademhäher überhaupt zurück? Er hatte die Raben und den Kiebitz gefunden. Wer weiß, ob er daheim noch Kontakte hatte.

Was sollte sie tun, dachte die kleine Salige mit dem verfilztem moosigem Haar. - Sie beschloss, den Dummling noch einmal aufzusuchen. Erst wollte sie wissen, ob seine Absichten lauter waren, bevor sie den Diademhäher, Rübezahl oder vielleicht die Hausfrau aufsuchte. Auf Grund dessen, dass er dem kleinen Mädchen, von dem er nicht einmal wusste, dass es sie gab, die Bären-Geschichte vorgelesen hatte, schloss sie, dass er gut war. Aber war er auch klug?


Sie fand den Dummling schlafend in einer Felsspalte, die ihn vor dem Wind schützte. Er lag in einem warmen, modernen Schlafsack. Der Schlafsack war rot. Die Felsspalte war ziemlich von Farnen verwachsen, dass die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren ihn trotz der auffälligen roten Farbe des Schlafsackes kaum sehen konnte. Sie hielt den Schlafsack erst für rote Eisen-Einschlüsse im Felsen.


Als die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren den Dummling erkannte, setzte sie sich zu seinen Füßen und wartete.

.......................................

Sie beobachtete ihn und sie sah sein weißes reines Gesicht. Er atmete regelmäßig – ein Zeichen, dass er trotz seines verworrenen Lebens noch ausgeglichen war. Je mehr er in seinem Leben suchen musste, desto unruhiger würde er vielleicht werden. Kurze Locken umrahmten sein Gesicht – der Friseur hatte in seinem jetzigen Leben wohl keinen Platz. Er war aber ziemlich glatt rasiert, jedenfalls bartlos.


Die Farne verdeckten den Höhleneingang und ließen das aufkommende Tageslicht kaum durchscheinen. Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren betrachtete die straffe Figur des Dummling im roten Schlafsack. Sie dachte an ihre Base, die die drei Schätze gestohlen hatte und die irgendeinen Sterblichen heiraten wollte. Dann dachte sie an die Nixe, die ihren sterblichen Geliebten im Wasser ertrinken hatte lassen. Sie fragte sich, ob sie selbst sich in einen Sterblichen verlieben könnte. Aber sie verneinte das für sich vorerst.


Der Dummling war wie ihr Kind. Einen Augenblick lang dachte sie an eine Puppe, die die sterblichen Kinder hatten. Aber das stimmte nicht, denn der Dummling war keine Puppe, er war der Sohn eines der mächtigsten Industriellen der Welt. In Kontrast zu seinem Nennnamen "Dummling" war er nicht dumm. Arbeitsplätze, Menschen, Tierleben, Natur würden einmal von ihm abhängig sein. Das aber, was er für sie bedeutete, für ihre Gefühle, war wohl so etwas wie eine Puppe für die sterblichen Mädchen.


Sie überlegte, wie sie ihn ansprechen würde, wenn er erwachte, und die Überlegungen über die Puppe gab ihr eine Idee: Er sollte ihr noch einmal eine Bären-Kinder-Geschichte vorlesen. Sie griff in die luft und holte ein Bilderbuch herunter. Sie blätterte das Buch durch und sah auf die Bilder. Sie erinnerte sich, dass es hier Bären gab und der Dummling mit Herbert schon einen Bären gesehen hatte. Ob ihm die liebliche Bärengeschichte dann gefiel? Aber Bärenkinder waren ja auch lieblich.

Da fiel ihr etwas ein: Sie würde ein Bild des Bären, den der Dummling mit Herbert gesehen hatte, in das Buch geben. Sie strich mit den Fingern über die Seiten. Sie freute sich auf die warme Stimme des Dummling.


Der kleine Bär trifft Leute – Vier Stofftiere suchen einen Besitzer


Der kleine Bär ist bei Oma Bär zu Besuch.




Oma Bär sagt: "Ich möchte, dass du meine Freunde triffst."

"Wer ist das?" fragt der kleine Bär.

"Hier! Das sind Ohri, Katzi, Nasi und Schnabel."


Der kleine Bär greift nach Ohri.

"Au", schreit Ohri. Rund um seine Ohren sind lange Haare.

"Mich darfst du angreifen", sagt Katzi.

"Wo kommt ihr her?" fragt der kleine Bär.

"Von einem Dachboden", rufen Nasi und Schnabel gemeinsam.


"Wieso von einem Dachboden?" fragt der kleine Bär.

"Haari und Wackel wollten uns nicht mehr haben."

"Wer sind Haari und Wackel", fragt der kleine Bär.


"Haari und Wackel sind Stofftiere und sie wollten uns nicht mehr haben."

"Das ist nicht wahr", sagt Haari.

"Aber du, kleiner Bär, hast Wackel den Kopf abgerissen."


"Nein", sagt der kleine Bär.


"Und ich hatte Angst um meine Haare", sagt Haari.

"Oma Bär hat mir den Kopf wieder angesteckt", sagt Wackel.


"Ihr, Ohri, Nasi, Katzi und Schnabel, ward genauso wild wie der kleine Bär", rufen Wackel und Haari gemeinsam.

"Ja", schreien Ohri, Nasi, Katzi und Schnabel,

"deshalb wolltet ihr, Haari und Wackel, uns nicht mehr haben

und wir mussten auf den Dachboden."


"Ja, und dann sollte der Dachgboden geräumt werden", ruft Katzi.


Und Ohri erklärt: "Und es wurde so viel weg geworfen. Und wir hatten Angst, auch weg geworfen zu werden."


"Und dann kam der Hüter", fügt Schnabel hinzu.


"Wer ist der Hüter?" fragt der kleine Bär.

"Da bin ich", ruft der Hüter. "Eigentlich sollte ich ein Tiger sein. Aber ich sitze auf Oma Bärs Bücher und behüte sie Deshalb heiße ich Hüter."


"Die vier, Schnabel, Nasi, Ohri und Katzi waren sehr schmutzig. Ich sagte ihnen, sie hätten mit so viel Schmutz auf dem Flohmarkt keine Chance".



"Und dann putzten wir uns", setzt Nasi fort.


"Vom Flohmarkt kaufte uns dann Oma Bär", zwitschert Schnabel und miaut Katzi.

"Und da sind wir jetzt."



Ein Sonnenstrahl stahl sich durch die Farne und kitzelte den Dummling im Gesicht. Je nachdem, wie der Farn sich im Wind bewegte, fuhr der Sonnenstrahl vom Haaransatz hinunter zum Kinn und wieder zurück. Auf und ab, auf und ab. Der Dummling setzte sich auf und nieste. Dann sah er die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren. Sie grinste ihn frech an. Eigentlich sah sie jetzt weniger wie eine Salige, sondern mehr wie Puck in seiner menschlichen Gestalt aus.

"Du bist da!" rief der Dummling erstaunt.

"Ja!"

Der Dummling beobachtete sie. Er fragte sich, ob er noch träumte.

"Soll ich Tee machen?" fragte die kleine Salige mit demverfilztemmoosigemHaar.

Er wies auf seinen Rucksack. Sie holte eine Plastiktasse und eine Thermosflasche heraus. In der Thermosflasche war heißes Wasser. Sie ging aus der Höhle und holte Minzkräuter. Die Minzkräuter wuchsen in rauen Mengen rund um die Höhle. Sie tat einige in die Tasse und goss heißes Wasser darüber.

"Das wird dich wach machen," erklärte sie. "Minzkräuter machen wach und frisch."

"Mmm."

Allmählich wurde die Umgebung tatsächlich klarer.

"Willst du auch etwas?" Der Dummling hielt ihr die Tasse an der Seite hin, an der er nicht getrunken hatte. Sie nahm ihm die Tasse ab und tat einen Schuck.

"Können wir reden?" Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren atmete aufgeregt.

"Was sollten wir zu reden haben?"

Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren dachte darüber nach, dass Herbert seine salige Patin besucht hatte und von ihr beraten worden war, und fragte sich, ob sie sich zu erkennen geben sollte, entschied sich aber dagegen. Sie wollte aber auch nicht mehr als Kind auftreten. Sie ließ deshalb auch diskret das Kinder-Bärenbuch verschwinden.

"Ich weiß viel von dir", sagte sie. "Und ich mache mir Sorgen."

"Warum solltest du dir um mich Sorgen machen?"

"Willst du Rübezahl ärgern?"

"Nicht wirklich. Ich wollte nur wissen, ob es ihn gibt und ob er mir helfen kann."

"Ob es ihn gibt!" rief die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren erstaunt. "Schau in die Wolken! Schau in die Gewitterwolken. Betrachte irgendeinen Baum. Horch in dich selbst, und du wirst wissen, dass es ihn gibt."

"Das genügt mir nicht."

"Das genügt dir nicht! Was seid ihr Sterbliche für sonderbare Wesen!"

"Und ich habe der Hausfrau und dem Diademvogel Rübezahls Hilfe versprochen!"

"Aha."

Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren seufzte erleichtert. Wenn es nur darum ging: dem Dummling konnte geholfen werden. Sie musste darüber nachdenken. Rübezahl konte wohl überredet werden, sich zu zeigen. Aber ob das jetzt schon gut war? Der Dummling sollte wohl erst ungefähr seinen Lebensweg finden.

Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren verschmolz mit dem Grün der Farne, war noch eine Zeitlang als dunkelgrüner Schatten gegen die Bäume sichtbar und war verschwunden.

Der Dummling rieb sich die Augen.

"Es wird doch wohl Salige geben," dachte er. Er war ja aufgebrochen, um herauszukriegen, ob es Salige gab.

Aber Rübezahl sollte er noch lange nicht finden.



Rupert besinnt sich

"Wenn eines von ihnen eingeht, so ist einer von uns tot", hatte Herbert gesagt.

Als er zu den Bäumchen kam, hatte das linke gut zugelegt und neue Zweige bekommen. Das rechte aber welkte dahin und ließ die Äste hängen. Das bedeutete, dass es Herbert gut ging. Ging es ihm gut? Es bedeutete, dass er selbst, Rupert, auf dem falschen Weg war. War er auf dem falschen Weg?


Rupert ging in den Agromarkt und kaufte Erde. Er glaubte nicht an seine und Herberts magische Verbindung mit den Bäumen, aber er dachte, dass es schöne Bäume waren, und er wollte sie beide retten. Er war sich aber bewusst, dass es nicht gelingen könnte. Rotholzbäume gehören in die alte Neue Welt.

Bevor er die Bäume mit Komposterde fütterte, betrachtete er sie genau. Beide Bäumchen standen gegen einen Felsen, sodass das Unterholz sie nicht überwuchern und das Wild sie nicht erreichen würde. Trotzdem umschlang sie eine Brombeerranke leicht, was den Wildverbiss verhindert hatte. Herbert hatte den Platz gut gewählt.

Was aber mangelte dem rechten Bäumchen?

Da sah er, dass das linke Bäumchen fest in der Erde verankert war, dem rechten Bäumchen aber einige Wurzeln auf dem Felsen lagen, und zwischen Felsen und Wurzeln hatte sich eine Tierfamilie eingenistet.

Da schüttete er die teure Erde auf die Wurzeln, befeuchtete sie mit frischem Wasser und überließ es dem Bäumchen, etwas daraus zu machen.


Als Rupert die winzigen Rotholzbäumchen, die einmal vielleicht in den Himmel wachsen und die Wolken berühren würden, verließ, dachte er eine Weile über den Stein, der Erfolg versprach, nach. Ein gewöhnlicher Kieselstein, gut in der Hand zu halten, mit einem prachtvollen Muster aus roten Linien, wohl Eiseneinschlüssen, aber ein gewöhnlicher Kieselstein. Er hatte ihn nie in der Hand gehabt, nur von Weitem gesehen. Aber so hatte es ihm die Amme seines Vaters gesagt. Wollte er Erfolg haben? Konnte er nicht leben, ohne irgendwo Erfolg zu haben? Worin wollte er Erfolg haben? War nicht das Leben aus vollen Zügen genießen und am Ende sagen "Lustig war`s" auch Erfolg? Aber wie genoss man sein Leben?

Eine Schwalbe flog ganz nah an seinem Gesicht vorbei, und ein sonderbares, ihm fremdes Gefühl befiel ihm. Als die Schwalbe ihn streifte, fiel ein Stück Moos in seine Hände. Es war nicht seine Saligen-Patin mit dem Sonnenstrahlenkleid, es war die kleine Verfilzte des Dummling.


Er dachte ganz kurz an den Forst seines Vaters und dessen Ausspruch "Wir sind auch für die Natur verantwortlich", aber das vergaß er schnell wieder.


Er kleidete sich teuer und ging ins Kasino. Er spielte hoch und verlor. Aber es machte ihm nichts aus. Er wusste ohnehin nicht, wofür er sein Geld ausgeben sollte. Aber die Leute, die dort spielten, gefielen ihm nicht. Er dachte darüber nach, ob er sich wohler fühlen würde, wenn sie ihn in ihren Kreis zögen, in anderen Worten, wenn er Herberts Ring der Beliebtheit besäße? Aber er fand diese Menschen auch nicht interessant.


Da sah er ein Plakat mit der Aufschrift "Schauhöhle". Er war schon in Karst-Schauhöhlen gewesen. Ihm gefielen die Stalaktiten und Stalakmiten, die seltsame Gebilde formten. Ihn interessierten sogar der Grottenmolch und andere Höhlentiere. Aber ihn stieß die Art und Weise, wie Touristen durch gekarrt wurden, ab. Trotzdem meldete er sich bei einer Tour an und versuchte, mit dem Höhlenführer ins Gespräch zu kommen. Der war von seinem Wissen über grünen und weißen Karst , hügelige und eingesunkene Karstlandschsft und Höhleneingänge beeindruckt und versprach, ihn mit Hobby-Höhlenforschern, zu denen er gehörte, bekannt zu machen.


Diese beäugten ihn misstrauisch.

"Morgen werden wir zuerst geduscht, dann wühlen wir uns im Sand, und dann werden wir wieder geduscht, bis wir sauber sind. Aber du musst eine Bürste mitnehmen, die letzte Dusche reicht vielleicht nicht aus", sagte einer mit einem boshaften Grinsen zu Rupert hin.

Rupert blinzelte.

"Es geht zuerst durch Schlamm, dann durch Sand, und zum Schluss durch sauberes Wasser, wobei wir uns aber gegenseitig den Sand herunter bürsten, wenn das Wasser nicht ausreicht", erklärte ein anderer.

"Du musst dir einen Neopren-Anzug mitnehmen. Am Ende des Städtchens gibt es ein Geschäft", empfahl eine Frau.

Es waren sieben, davon zwei Buben, 15 und 16 Jahre alt, und zwei Frauen.

Die zweite Frau sagte herausfordernd:

"Und übermorgen müssen wir uns abseilen"

Aber das schreckte ihn nicht. Schließlich hatte er sich als Forstwirtschaftsstudent unter Forstarbeitern bewegt. Auch da hatte man fallweise mit dem Seil arbeiten müssen.

"Vor einem halben Jahr ist einer von uns 100 Meter tief gestürzt. Er lag verletzt zwei Tage in der Höhle, bis man einen Experten gefunden hatte, der sich getraute abzusteigen, und das nötige Wissen hatte, ihn so herauf zu bringen, dass er nicht seinen Verletzungen erlag", legte sie nach.

"Wer war das?" fragte Rupert.

"Er ist nicht hier. Er hat sich noch nicht erholt."

Die anderen grinsten, weil sie merkten, dass man Rupert sekkierte.

"Es stimmt schon," sagte dann einer. "Man kann nicht genug aufpassen. - Soll ich dir helfen, den Neopren-Anzug auszusuchen?" bot er weiter an. "Um 2 Uhr geht ein Bus zum Geschäft für Sportsachen."

Rupert dachte kurz an sein Luxus-Auto, entschloss sich aber dann, sich nicht als Sohn eines der reichsten Männer der Welt erkennen zu geben und nahm dankend an. Im Sportgeschäft wusste er die freundliche Beratung des jungen Mannes zu schätzen.

Am Abend saßen sie dann ziemlich lange bei Bier, Wein und lauter Musik zusammen, aber es hielt sich wegen der zwei Jugendlichen in Grenzen.


Am nächsten Tag ging es los. Sie fuhren im Kleinbus und wanderten dann lange durch den Wald. Rupert wunderte sich über die Verbissenheit, mit der sie links und rechts aus der Bodenbeschaffenheit Höhlen vermuteten und suchten, die sie an einem anderen Tag besuchen wollten.

"Wer sich für irgendetwas so begeistern könnte!" dachte er. "Das müsste das Leben schön machen, und da würde ich mir auch Erfolg wünschen."


Rupert und Herbert im fremden Land


Nachdem Herbert einige Zeit die Berghütte bewohnt und die Gegend erforscht hatte, entschloss er sich, weit zu wandern, da sein Vater ihm die Heimfahrt verweigert hatte. Er ging über die Grenze und kam in das Land der Höhlen und bunten Wälder. Er quartierte sich in einem kleinen Gasthof ein, hängte sich einen Rucksack um und ging los. Es war eine Karstlandschaft mit Dolinen rechts und links. Über ihm krähte die Morrigan, hätte der Dummling gesagt, der sich mit den Leuten aus der Anderswelt besser auskannte. Schwalben, Spechte, Sperlinge. Eine Eidechse huschte über die Steine. Sonst sah er keine Tiere, obwohl man ihm gesagt hatte, dass es Rehe und Hasen, sogar Bären gab. Föhren, rot und gelb bunter Ahorn, große und kleine Eichen. Buschwerk. Wildwuchs, nicht auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet, denn selbst die Föhren waren so verknorrt, dass sie wohl nur als Brennholz verwendbar waren.


Aufgelassene Landwirtschaften, manchmal mitten drin eine bewirtschaftete Wiese. Irgendwelche Forstwirtschaft musste es wohl geben, denn er fand Kettensägen-Kunst, interessante Figuren, die mit der Kettensäge geschnitzt wurden.


Er ging tief in die Wälder hinein, die so anders waren als die heimatlichen Gefielde.


"Wie anders?", fragte ein Einheimischer, als er sich am Abend in der Gaststätte seines Wirtes den hier üblichen Spinatstrudel bestellt hatte.

"Schwer zu beschreiben: Wir haben Fichten, weniger Föhren, kaum Buschwerk, geschlossene, mit Nadeln und Laub bedeckte Waldböden."

"Mit Laub bedeckt?"

"Ja, ja, die Laubbäume haben wir schon auch. Das hängt von der Gegend ab. - Beeindruckt hier haben mich die riesigen Steine in den Wäldern,"

"Das sind keine Steine, das ist der blanke Boden, der durch das Gewächs durchschaut."

"Oh. - Vögel. Ich habe nicht alle gekannt. Manche hörte ich nur: ks, ks, ks, ks, ks, oder ein anderer: trltrltrltrltrl."

Der Einheimische interessierte sich offensichtlich nicht für Vögel.

"Mehr Schwalben als bei uns."

"Wir sagen Spatzen."

"Nein, Schwalben. Schwalben segeln, Spatzen flattern. Ein Tier, das krnk, krnk, krnk macht."

"Das wird ein Frosch gewesen sein."

"Bei uns gibt es Kühe und wenige Schafe, bei euch gibt es Schafe und wenige Kühe."

"Aha."

"Mannhohes Gras. Die Dolinen habe ich mich nicht getraut zu begehen."

"Die sind auch gefährlich. Hinter jedem Schritt könnte ein Loch lauern. Ich war voriges Jahr dabei, als ein Tourist sich einbildete, er müsse eine Doline durchqueren. Erst ging er grinsend eine Weile durch das Gestrüpp, dann ein Schritt, und er war nicht mehr gesehen."

"Was geschah mit ihm?"

"Das weiß ich nicht."

"Herbert!"

Rupert hatte die Gaststätte betreten und Herbert erkannt.

"Rupert!"

Herbert stand auf und umarmte Rupert.

"Wo kommst du her?" fragten beide gleichzeitig.

"Ich bin bei den Höhlis gelandet", erklärte Rupert humorvoll.

"Und ich habe gerade eine Tageswanderung in den Wäldern hinter mir", lachte Herbert.

"Habt ihr gerade von den Dolinen geredet?" fragte Rupert. "Dolinen sind oft Eingänge zu Höhlen."

"Du bist ja schon ein richtiger Experte. - Das ist mein Bruder Rupert", wandte sich Herbert an seinen einheimischen Gesprächspartner.

Der Einheimische lachte Rupert an, und Rupert gab es einen Stich. Gesellschaft hatte er wieder im Fahrwasser seines Bruders Herbert, der unter dem Einfluss des Ringes, der Beliebtheit verhieß, stand. Die Höhlis hatten ihn zwar zu einer Tour am nächsten Tag eingeladen, aber sich für den Abend abgeseilt.

"Was denkst du über unsere Leute?"fragte der Einheimische Herbert.

Rupert dachte, dass er diese Frage vielleicht wohl auch an ihn hätte richten können.

"Ich weiß nicht so recht. Ich kann ja die Sprache nicht. Aber jeder scheint sehr freundlich. Mir gefallen die vielen Gemüsegärtchen."

"Ja, Gemüse und Obst wird fast nur an Touristen verkauft. Wir selbst essen unser eigenes Grünzeug".

"Es ist nett, wenn da eine ganze Familie im Garten steht und sorgfältig erntet. Und die Khaki-Bäume sind fantastisch. Ich habe mir eine Frucht stibitzt."

"Es liegt viel brach. Viele Bauern müssen sich einschränken oder überhaupt aufgeben."

"Ja, man merkt es an den verwilderten Wiesen. Sie sind mit Steinmäuerchen eingezäunt. Die Steinmäuerchen sind kunstvoll ohne Bindemittel aufgeschlichtet und jetzt mit Moos überwachsen. Öfters findet man auch riesige, mit Moos überwachsene Steinhaufen. Da muss vor Jahrzehnten sich jemand viel Arbeit gemacht haben, die Wiesen steinfrei zu bekommen."

"Das Bauernsterben ist ein Jammer. Aber wenigstens wird für den Privatgebrauch noch angebaut..."

"Da", sagte einer der Einheimischen und reichte Herbert eine dunkelblaue Weintraube, die er von einem Laubendach heruntergeholt hatte. Das Laubendach überdachte, ausgehend von Spalierbäumen, die ganze Terasse.

"Und Mispeln haben wir auch.Sie sind nur nicht ganz reif."

Er hält ihm zur Begutachtung eine Frucht hin.


Herberts einheimischer Bekannte kam auf das erste Thema zurück:

"Was meinst du damit, dass unsere Bevölkerung freundlich ist?"

"Jeder grüßt in liebenswürdiger Weise, obwohl sie mich ja gar nicht kennen. Sie sagen Dobre dan oder Zdravo ."

" Dobre dan heißt Guten Tag und Zdravo heißt Gesundheit."

"Kurz, bevor ich den Wald verließ, gesellte sich mir eine schöne Frau zu. Es war ganz sonderbar. Sie ging eine Weile neben mir, ohne viel zu sagen, und dann verschwand sie plötzlich im Gebüsch."

"Das war eine Vila".

Herbert schaute erstaunt und verwirrt, aber er fragte nicht nach.


Rupert und die Höhlis


Am nächsten Tag luden die Höhlis Herbert zu einer Höhlenwanderung ein.

"Es ist leicht", sagten sie. "Wir gehen nur den öffentlichen Teil."

Herbert lehnte ab. Durch finstre Höhlen zu schliefen, durch Schlamm zu waten, sich von Sand berieseln zu lassen war nicht seine Sache, und das sagte er auch.

  • Wer weiter lesen woll, kann sich das Buch besorgen. Das Buch ist auf Englisch und auf Deutsch:

    http://www.bod.de/buch/brigitte-prem/die-suche-nach-den-drei-schaetzen/9783839144541.html

     

    "Die Suche nach den drei Schätzen"

    BoD

    "Die Suche nach den drei Schätzen" ist ein Märchenroman und orientiert sich an traditionellen Märchen, Goethe, und Shakespeare. Drei junge Männer sind auf der Suche nach ihrem Lebensweg. Außer die sie umgebenden Menschen treffen sie auf Wesen aus der Anderswelt, die der traditionellen, europäischen Vorstellungswelt entnommen sind und diesen entsprechen. Sie müssen sich mit Wirtschaft, Politik und Ethik (nach Albert Schweitzer) auseinander setzen.

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